Brünnlitz

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Oskar Schindler mit "seinen" Schindlerjuden
Oskar Schindler mit "seinen" Schindlerjuden

„Für Eurer Überleben dankt nicht mir, dankt Euren Leuten, die Tag und Nacht arbeiteten, um euch vor der Vernichtung zu retten. Dankt Euren unerschrockenen Stern und Pemper und einigen Anderen, die bei der Aufgabe für Euch, vor allem in Krakau, jeden Moment dem Tode ins Auge geschaut haben, die an Alle dachten und für Alle.“

Oskar Schindler


„Herr Direktor Schindler, mit Emailtöpfen allein kann man keinen Krieg gewinnen. Es wäre schön, wenn Sie in Ihrer Fabrik eine richtige Rüstungsabteilung hätten, damit Ihre Leute sicher sind.“

Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Schindlers Liste, Die Wahre Geschichte, Hamburg 2005, S.120

„„...Obwohl eine der Gattinnen dieser Herren mit einem für einen Mann zu schweren Koffer mit Schnaps in dieser strengen Kälte dreihundert Kilometer gefahren wäre, um dafür Medikamente für jüdische Skelette zu tauschen, denen die deutsche Barbarei den letzten Lebensfunken genommen hatte? Für meine Frau war diese Hilfsbereitschaft eine Selbstverständlichkeit, wenn es galt, Menschen in größter Not zu helfen, kümmerte sie sich einen Teufel um Gefahr, sie hatte den Mut, SS-Führer wie Hausdiener zu behandeln“

E. Rosenberg (Hrsg.), Ich , Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente; München 2000; S.51-55

Inhaltsverzeichnis

„Schindlers Arche“ und ihre Kosten

Bevollmächtigung Schindlers als Besitzer der deutschen Emailwarenfabrik
Bevollmächtigung Schindlers als Besitzer der deutschen Emailwarenfabrik
Oskar Schindler musste die Fabrik von Grund auf neu aufbauen. Maschinen, Werkzeuge und das Material hatte er in 250 Waggonladungen von der Emalia nach Brünnlitz schicken lassen. Zusätzlich zum Neuaufbau seines Rüstungsbetriebes war ein Konzentrationslager zu errichten; Hans Kammlers Bauamtsgruppe C des WVHA hatte die Bauaufsicht. Nach dem Krieg schätzte Oskar Schindler die Gesamtkosten für Aufbau, Verlagerung und Transport auf 300.000 RM. Für den Lagerbetrieb hatte Oskar Schindler einen Stab von 20 Deutschen und 50 polnischen Freiwilligen. Außerdem stellte die SS 100 Aufseher unter dem Kommando von SS-Obersturmführer Josef Leipold.

Aufbau des Betriebs, Logistik

Oskar Schindler war auch für die Unterbringung und Verpflegung der SS-Aufseher zuständig. Außerdem musste er der SS einen bestimmten Tagessatz für seine Arbeitskräfte zahlen. Im Generalgouvernement lag der Betrag bei 5 Zloty pro Arbeiter und 4 Zloty pro Arbeiterin. Im Sudetenland, das zum Großdeutschen Reich gehörte, waren es höhere Beträge, welche in Reichsmark zu zahlen waren: pro Tag 4 – 8 RM für gelernte und 3 – 4 RM für ungelernte Arbeitskräfte. Oskar Schindler hatte, wie er nach dem Krieg erklärte, stets mehr Juden auf seinen Listen gehabt als er gebraucht hätte.

Rolle der Frauen

Ortseingang von Brünnlitz
Ortseingang von Brünnlitz
In Brünnlitz hatte er für 300 Frauen überhaupt keine Arbeit. Trotzdem musste er diese als produzierende, gelernte Arbeitskräfte führen um deren Leben zu retten. Nach eigenen Angaben hat Oskar Schindler über 2,64 Mio. Reichsmark für die Rettung seiner Arbeiter in Brünnlitz und Krakau bezahlt. In diesem Betrag waren die Bestechungsgelder für die SS enthalten.[1]

„Entschädigung“ nach dem Krieg durch das Lastenausgleichsamt

Fabrik in Brünnlitz
Fabrik in Brünnlitz
Die Kosten für Betriebsverlagerung und Neueinrichtung von Fabrik und Lager in Brünnlitz waren weit höher als die für den Aufbau in Krakau. Nach dem Krieg wurde Oskar Schindler, nach vielen Anträgen, von der westdeutschen Regierung für den Verlust der 2 Fabriken entschädigt. Aus seinem Antrag auf Lastenausgleich geht hervor, wie hoch die Verluste waren. Für Emalia waren es 1.910.000 DM, für Brünnlitz 4.246.400 DM. In diesen Kosten stecken auch die Summen für die Hilfe seiner jüdischen Arbeiter aus dem Betriebsgewinn. Deren Höhe bezifferte er für Krakau mit 270.000 DM für Unterkünfte und Versorgungseinrichtungen und für Brünnlitz mit 341.700 DM. Die Einrichtungen für die SS kosteten weitere 39.950 DM. Zu den Brünnlitzer Verlusten kamen noch 320.000 DM für Privatwohnung und Vermögen des Werkführers sowie 300.000 DM Bareinkommen zu seinen Gunsten bei der Deutschen Bank in Zwittau, am Tage der Kontensperre am 8.Mai 1945.

Bestechungsgelder und Schwarzmarktgeschäfte

Sudetenland 1938/9 - 1945
Sudetenland 1938/9 - 1945
Oskar Schindler musste die Krakauer Gewinne in die Fabrik in Brünnlitz stecken, um die dortigen Ausgaben auszugleichen. Auch in Brünnlitz musste er hohe Summen für Bestechungen und Schwarzmarktgeschäfte aufwenden. Der Unterschied zu Polen lag jedoch darin, dass im Sudetenland auf jegliche Schwarzmarktgeschäfte die Todesstrafe stand. Dazu kam die „Sorge“ um die SS-Männer, welche durch Zugaben aller Art bestand, um den Häftlingen menschliche Behandlung zu garantieren, oft gegen den Willen des Lagerkommandanten, Sturmbannführer Hassebroek. Diesem war Brünnlitz als Nebenlager unterstellt. Deswegen musste Oskar Schindler nicht nur die SS im Lager, sondern auch die lokale SS und Reichsbeamte bestechen, um den Widerstand gegen den Umzug ins Sudetenland auszuräumen.

Örtliche Behörden opponieren gegen das KZ und die Fabrik

Listen Brünnlitz für Bad Arolsen Erläuterung Listen Brünnlitz für Bad Arolsen
Listen Brünnlitz für Bad Arolsen Erläuterung Listen Brünnlitz für Bad Arolsen
Wie Oskar Schindler 1951 an Fritz Lang schrieb, kam es auch nach der endgültigen Genehmigung aus Berlin immer wieder zu Widerstand, wie damals als die 250 Materialwaggons den kleinen Bahnhof lahm legten. Nicht nur Hassebroek, Kommandant von Groß-Rosen, auch Karl-Heinz Bigell, Textilspezialist und früherer Wirtschaftsberater von SS-Oberführer und HSSPF Julian Scherner, war Empfänger der regelmäßigen Zuwendungen. Dieser revanchierte sich mit Baugenehmigungen, Enthaftungen, SS-Zement, Dieselöl und Benzin.[2]

Als die Probleme mit Beamten und SS-Leuten vor Ort zunahmen, lud Oskar Schindler Bigell nach Brünnlitz ein, welcher mit SS-Standartenführer Ernst Hahn und dessen Adjutanten kam, beide von der Reichsführung SS in Berlin, Dienstelle SS-Obergruppenführer Heißmeyer. Ab diesem Zeitpunkt wurden dank seiner vorzüglichen Beziehungen nach „oben“ die Denunziationen seltener.

Nutznießer der Bestechungsgelder

Schlesien
Schlesien
Schmiergelder wurden damit allerdings nicht überflüssig. Ein Hauptnutznießer von Oskar Schindlers Freigebigkeit war SS-Obersturmbahnführer Max Rausch, HSSPF in Mähren und früherer Chef der Kripo Kattowitz und Ost-Oberschlesien. Josef Lasotta, welcher später Sicherheitsdirektor der Ferrum AG in Sossanowitz wurde, machte ihn mit Oskar Schindler bekannt. Rausch wurde Oskar Schindler in den letzten Tagen des Krieges sehr hilfreich, als er, anstatt das Lager zu räumen, Oskar Schindler Waffen zur Verteidigung, wegen des Herannahens der Russen, gab. Oskar Schindler gab die Waffen einer jüdischen Widerstandsgruppe. Als Gegenleistung erhielt Rausch einen Brilliantring für seine Ehefrau.

Die Fabrik

Oskar Schindlers Brünnlitzer Fabrik bestand aus einem großen Fabrikgebäude, in dem die 1000 Juden und der Rüstungsbetrieb untergebracht waren, und aus mehreren kleinen Gebäuden. Oskar Oskar Schindler entschied sich, die Fabrik in Brünnlitz zu bauen, weil aufgrund der ländlichen Ruhe nicht mit herumschnüffelnden Beamten oder Luftangriffen zu rechnen war. Das Gelände, das Oskar Schindler gepachtet hatte, maß 300 mal 400 Meter. Darauf stand das 160 mal 160 Meter große Hauptgebäude, ein Lagerhaus mit 80 mal 15 Metern und ein Verwaltungsgebäude mit 40 mal 40 Metern für die Deutschen. Die Häftlinge hatten ihr Quartier im zweiten Stock des Hauptgebäude, um zu vermeiden, dass SS–Leute die Juden zur Arbeitsstelle eskortieren mussten. Dort wurde eine Küche installiert, Männer und Frauen waren getrennt, Schlaf-, Wasch-, und Toiletteneinrichtungen installiert.

Medizinische Versorgung in Brünnlitz

Lebenslauf von Oskar Schindler
Lebenslauf von Oskar Schindler
Oskar Schindler sorgte nicht nur für die Ernährung der Arbeiter, sondern auch für die Gesundheit. Alle im Lager, insbesondere die SS und Leipold, hatten Angst vor Ansteckungsgefahren und Epidemien. Deswegen ordnete Leipold an, dass nicht mehr als 18 Häftlinge auf der Krankenstation sein durften. Wie man durch Sterns Bericht weiß, waren aber viel mehr Menschen krank, eigentlich alle. Oskar Schindler beschwichtigte Leipold, indem er auch für die kranken Arbeiter bezahlte.

Epidemien und Medikamente

Jüdische Häftlinge 1943/44
Jüdische Häftlinge 1943/44
In den Lagern bedeutete es in der Regel den Tod, wenn man auf die Krankenstation kam. Deswegen setzten die meisten Häftlinge alles daran, nicht krank zu werden oder gesund auszusehen. Hierbei verwendeten sie fragwürdige Heilmittel. Manche Häftlinge aßen Holzkohle oder Brotrinde. Zäpfchen aus Papier oder Leinen sollten Blutungen stillen. Urin oder eine Salbe aus Löschkalk und Schmieröl wurde gegen Krätze verwendet.

Kampf gegen Typhus

Obwohl alle Oskar Schindler Juden in Groß-Rosen und Auschwitz desinfiziert worden waren, waren sie, als sie in Brünnlitz eintrafen, erneut verlaust. Läuse waren Überträger von Typhus. Deswegen wurde eine Massenentlausung verordnet und das ganze Lager desinfiziert. Die Arbeiter wurden in der Krankenstation, geleitet von Dr.Chaim Hilfstein, gebadet und entlaust. Wie Dr.Bieberstein erzählt, hat er in Brünnlitz nur fünf Typhusfälle erlebt. Neben Dr.Hilfstein waren sechs weitere Ärzte in Brünnlitz.

Ärzte in Brünnlitz

Wie auch Dr.Hilfstein, waren auch Dr.Aleksander Bieberstein, Dr.Juda Katz, Dr.Szaja Hänler und Dr. Matylda Löw praktische Ärzte, hinzu kamen der Chirurg Dr.Ferdinand Lewkowicz und der Zahnarzt Dr.Aleksander Schubert. Den Ärzten fehlte es am Allernötigsten, Oskar und Emilie Schindler bemühten sich, die medizische Versorgung durch Käufe auf dem Schwarzmarkt zu gewährleisten.

Rolle von Emilie Schindler in Brünnlitz

Während Emilie Schindler in Krakau allenfalls eine Randfigur im Leben von Oskar spielte, war sie in Brünnlitz ständig aktiv und präsent, wie Oskar Schindler selbst immer wieder hervorhob:

„...Obwohl eine der Gattinnen dieser Herren mit einem für einen Mann zu schweren Koffer mit Schnaps in dieser strengen Kälte dreihundert Kilometer gefahren wäre, um dafür Medikamente für jüdische Skelette zu tauschen, denen die deutsche Barbarei den letzten Lebensfunken genommen hatte? Für meine Frau war diese Hilfsbereitschaft eine Selbstverständlichkeit, wenn es galt, Menschen in größter Not zu helfen, kümmerte sie sich einen Teufel um Gefahr, sie hatte den Mut, SS-Führer wie Hausdiener zu behandeln.“[3]

Schwangerschaftsabbrüche

Emilie und Oskar Schindler in Argentinien, 1952
Emilie und Oskar Schindler in Argentinien, 1952
Als eine Schindlerjüdin schwanger wurde, traf Oskar Schindler Vorkehrungen für eine Abtreibung, weil aufgrund der NS-Ideologie schwangere Juden von der SS mit dem Tod bestraft wurden; die jüdische Rasse sollte sich nicht vermehren. So führte die jüdische Gynäkologin und Hebamme Dr.Gisella Perl in Auschwitz viele heimliche Abtreibungen durch, obwohl sie diese aus ethischen Gründen ablehnte, aber sie wusste, dass andernfalls Mutter und Kind auf grausame Weise umgebracht werden würden.[4]

Die Transporte von Juden aus Golleschau und Landskron

Medizinische Versorgung wurde noch kritischer, als die Transporte aus Golleschau und Landskron am 29. Januar bzw. 2. Februar 1945 eintrafen. Das Lager Golleschau war ein Außenlager von Auschwitz an der Grenze zum heutigen Tschechien. Dort hatte die SS im Zementwerk 1944 über 1000 „Arbeitsjuden“ beschäftigt. Sie arbeiteten im Zementwerk, aber auch in der Verpackung und Drahtseil–Förderanlage des Werks. Als die Rote Armee immer tiefer in Polen eindrang, wurde Golleschau zwischen dem 18. und 22. Januar 1945 aufgelöst und die meisten der 1000 Häftlinge auf Gewaltmärschen oder per Bahn nach Sachsenhausen oder nach Flossenbürg gebracht. Eine Gruppe von 96 Häftlingen sollte in einem verplombten Güterwagen in das Nebenlager Freudenthal übergestellt werden. Es war einer der letzten Transporte aus Golleschau. Anhand eines „Frachtbriefes“ lässt sich die Odyssee des Transportes verfolgen. Der Brief wurde auf jedem Bahnhof gestempelt. Abfahrt war der 22. Januar in Golleschau, die Strecke führte über Teschen, Oderberg und Schönbrunn nach Freudenthal. Da sich auch das dortige Lager bereits in der Auflösung befand, wurde der Waggon nach Zittau weitergeleitet, wo er am 29. Januar eintraf.[5]

Rettung der Golleschauer Juden

Liste der Golleschauer Juden 29-1-1945
Liste der Golleschauer Juden 29-1-1945
Liste der Golleschauer Juden 29-01-1945
Liste der Golleschauer Juden 29-01-1945
Liste der Juden aus Geppersdorf 11-4-45
Liste der Juden aus Geppersdorf 11-4-45
Liste der Juden aus Geppersdorf 11-4-45
Liste der Juden aus Geppersdorf 11-4-45
Bad Arolsen an Mietek Pemper wegen Liste Brünnlitz, 22-7-1958
Bad Arolsen an Mietek Pemper wegen Liste Brünnlitz, 22-7-1958
Eidesstattliche Erklärung Pempers über die Listen KL Groß-Rosen
Eidesstattliche Erklärung Pempers über die Listen KL Groß-Rosen
Die Menschen waren „seit über einer Woche ohne Essen und Trinken, ohne Decken, ohne Hoffnung auf Leben unterwegs“.[6] Von 86 Personen hatten 74 überlebt.[7] Die zugefrorenen Schiebetüren der beiden Viehwaggons konnten nur mit Schweißbrennern geöffnet werden. „Ich war dann auch dabei, als man die vierundsiebzig Überlebenden wog und ihre Personalien aufnahm. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Erwachsene, die dreißig Kilo wogen.“[8] Mit Gries konnten die Ärzte die Leute aufpäppeln. Oskar Schindler ließ kübelweise Grieß kochen, den sie (i.e. Emilie) zuvor durch persönliche Kontakte beschafft hatte:

Oskar Schindler kümmerte sich rührend um unsere Kranken und die nicht voll Arbeitsfähigen. Ich habe sie (i.e. Emilie) als eine ernste und disziplinierte Frau in Erinnerung. Was sie jeden Tag im Lager und vor allem im Krankenrevier sah, muss für sie sehr traurig gewesen sein, doch ließ sie sich das nicht anmerken. Dr. Biberstein schrieb im Sommer in einem Bericht an den „Joint“: Frau Emilie Schindler opferte alle Vorräte wie Grieß, Butter, Milch, Käse, Wurst. Herr Oskar Schindler brachte von Mährisch-Ostrau in Munitionskisten alle möglichen Nahrungsmittel und Medikamente.“ [9]

Wer dafür verantwortlich war, dass die Juden in Oskar Schindlers Fabrik kamen, kann nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden. Oskar Schindler beanspruchte die Rettungstat ebenso für sich wie seine Frau Emilie. Die Rettung der Golleschauer Juden trug viel zum "Schindlermythos" bei.[10] Die Toten wurden nach jüdischem Ritus auf dem Friedhof von Bela beigesetzt.[11]

Lebensmittel: Kampf ums Überleben

Johann Kompan leistet Hilfe in Brünnlitz
Johann Kompan leistet Hilfe in Brünnlitz
Polnische Arbeiter beim Verpacken der fertiggestellten Produkte in Schindlers Fabrik, 1942
Polnische Arbeiter beim Verpacken der fertiggestellten Produkte in Schindlers Fabrik, 1942
Der Nahrungsmittelmangel war das größte Problem in Brünnlitz. Johann Kompan schrieb, dass es schon Schwierigkeiten gab, die Rationen zu bekommen, die dem Lager nach den Lebensmittelkarten zustanden. Oskar Schindler unternahm große Anstrengungen, um zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Er fuhr mit Lastwägen voller illegaler Waren durch die Umgebung, um diese einzutauschen. Außerdem pachtete er ein 3000 m² großes Stück Land, auf welchem Lebensmittel für die Fabrik angebaut wurden. Um Lebensmittel zu besorgen, musste er sehr weite Strecken zurücklegen und gefälschte Papiere bei sich haben. Eine große Hilfe war das Ehepaar von Daubek, welches das Lager mit zusätzlichen Getreide versorgte. Auch der Lebensmittelgroßhändler Johann Kompan belieferte das Lager unter Lebensgefahr mit zusätzlichen Lebensmitteln. Alle diese Lebensmittel waren für die Lagerküche bestimmt. Die Arbeiter erhielten drei Mahlzeiten am Tag, im Frühjahr 1945 waren es nur noch zwei. Oskar Schindler kümmerte sich besonders darum, dass die Jungen genug zu Essen hatten und keine Nachtschichten bekamen. Stella Müller-Madej erinnert sich, dass man, wegen der Lebensmittelknappheit, Fladen aus Holzabfällen und Getreide machte. Polda Hirschfeld arbeitete in der Küche für die SS und nahm die Abfälle mit. Igor Kling baute die Zäune für das Lager und klaute Kartoffeln von angrenzenden Feldern. Im Februar 1945 mussten die Rationen nochmals gekürzt werden und Ende April gab es nur noch eine Mahlzeit am Tag.

Arbeit und Leben in Brünnlitz: Göths Rückkehr

Amon Göth auf dem Weg zum Gericht
Amon Göth auf dem Weg zum Gericht
Im Oktober 1944 war Göth gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden, aber die SS ermittelte weiter gegen ihn. Entsetzen brach aus, als Göth nach Brünnlitz kam. Aber für viele hatte er auch seinen Schrecken verloren, er kam in Zivil und hatte abgenommen. Oskar Schindler beruhigte die Juden: „Das ist nicht der gleiche Göth, er kann euch nichts mehr antun. Er kommt nur, um seine Sachen abzuholen.“[12] Göth sprach kurz mit Oskar Schindler, dann mit Pemper, von dem er wissen wollte, was ihn die SS-Richter bei den Verhören gefragt hätten.[13]

Täuschung der SS und der Wehrmacht

Oskar Schindler at a party with friends and a German army officer   Oskar Schindler's Speech on the day of Nazi Germany Surrender
Oskar Schindler at a party with friends and a German army officer

Oskar Schindler's Speech on the day of Nazi Germany Surrender
Göths Besuch erinnerte alle daran, dass Oskar Schindler einen linientreuen Nazi und einen Industriellen spielen musste, vor allem während der unablässigen Besuche von SS- und Wehrmachtsoffizieren, die kamen, um den Rüstungsbetrieb zu inspizieren. Bei diesen Anlässen mimte Oskar Schindler den knallharten Nazi. Die Besuche endeten meist mit wüsten Trinkgelagen in Oskar Schindlers Wohnung in der Fabrik.

Gefährlichkeit Leipolds

Lediglich Josef Leipold konnten die feuchtfröhlichen Gelage mit hochrangigen SS- und Wehrmachtsoffizieren nicht davon überzeugen, dass Oskar Schindler wirklich hinter den NS-Rasseidealen und den Lagervorschriften stand. Zwischen Leipold und Oskar Schindler kam es wegen der Behandlung der Häftlinge ständig zu Spannungen. Pemper wusste, wie gefährlich Leipold war und ahnte, dass Leipold und der Leiter des KZ Groß-Rosen anlässlich einer Inspektion einen „Evakuierungsplan“ erstellt hatten, also die Liquidierung der nicht arbeitsfähigen Juden beim Näherrücken der Roten Armee geplant hatten.[14] . Stella Müller-Madej sagte in einem Interview 2003: „… Wir hatten immer das Gefühl, dass uns etwas Schlimmes passieren kann sobald er nur für einen kurzen Augenblick weg war.“[15]

Mittels einer List gelang es Oskar Schindler, dass Leipold sich freiwillig an die Front meldete.

Korrumpierung des Wachpersonals

Die SS–Wachleute stellte er mit Essen, Alkohol und Tabak zufrieden. Die Aufseherinnen lud Oskar Schindler zum Tee in die Wohnung der Schindlers ein. Der mit Abstand gefürchtetste Kapo im Lager war Willi, Leipolds Lieblingskapo. Willi war mit Hunderten von Häftlingen von einem nahegelegenen Lager nach Brünnlitz aufgebrochen und mit nur etwa einem Dutzend angekommen. Als Willi in Abwesenheit Oskar Schindlers einem Häftling schwere Kopfverletzungen zufügte, stellte ihn Oskar Schindler zur Rede. Man stelle hier Munition her, auf welche die heldenhaft kämpfenden deutschen Soldaten warteten, er brauche darum arbeitsfähige Leute und keine Krüppel. Wenn sich ein solcher Zwischenfall nochmals wiederhole, müsse er den Fall vor Gericht bringen- wegen Sabotage und Arbeitsbehinderung.

"Fassade" eines Rüstungsbetriebes

Mietek Pemper (rechts) mit seinem Vater (links) und seiner Mutter (Mitte), 1938
Mietek Pemper (rechts) mit seinem Vater (links) und seiner Mutter (Mitte), 1938
Trotz der guten Beziehungen zur Rüstungsinspektion musste Oskar Schindler zumindest die Fassade des ordnungsgemäß arbeitenden Rüstungsbetriebes aufrecht erhalten. Insgesamt wurden nur eine Waggonladung mit Hülsen für die 3,7-cm Stielgranaten hergestellt. Stern erklärte das in seinem Bericht:

In Brünnlitz waren 1100-1200 Juden, außerdem viele Tschechen, Polen usw. Aber der Umsatz war 0,0, wir lieferten nichts, wir wollten einfach nicht mehr, auch Oskar Schindler wollte nicht mehr, aber damit das Lager nicht aufflog, mussten die Produktionslisten gefälscht werden, sodass wir offiziell arbeiteten und produzierten, nur nicht fertige Fabrikate lieferten.“[16] Mietek Pemper war ein Meister im Frisieren von Listen. Dem deutschen Stab gegenüber wurde wiederholt mit „Anlaufschwierigkeiten“ argumentiert. Die Fabrikarbeiter installierten die Maschinen, die von der Emalia hergebracht worden waren. Oskar Schindler sorgte dafür, dass die Installation nie fertiggestellt wurde. Wenn die Männer in der Halle Zeit hatten, fertigten sie „Rasiermesser, Löffel oder andere Esswerkzeuge.

Täglicher Arbeitsplan

Trotz allem gab es einen strengen täglichen Arbeitsplan den Leipold fixiert hatte:
Weckruf für die Außenabteilung 6:00
für die Innenabteilung 7:30
für die Nachtschicht 15:00
Arbeitsbeginn für die Außenabteilung 7.15-16.30
für die Innenabteilung 9:00-20:00
für die Nachtschicht 20:30-7:00
Mittagspause für die Außenabteilung 13:45-14:00
für die Innenabteilung 14:00-15:00
für die Nachtschicht 1:00-1:30
Nachtruhe 22:00

Die Frauen strickten für das Lager Pullover und Unterwäsche aus Wolle, welche von Oskar Schindler für 8.000 Reichsmark als Schutz vor der Kälte gekauft worden waren. Auch die Unterbringung war anfangs sehr schlecht, 300 Frauen mussten dicht gedrängt auf Stroh schlafen; auf Kommando mussten sie sich von einer Seite auf die andere drehen. Manche Häftlinge wollten ihrem Glauben treu bleiben und aßen während des Passahfest nichts, womit sie buchstäblich ihr Leben aufs Spiel setzten, indem sie kein Brot aßen, sondern Graswurzeln.

Vordringen der Roten Armee und Widerstand der Wehrmacht

Soldaten der Roten Armee
Soldaten der Roten Armee
Mitte März 1945 stieß die Rote Armee auf Mährisch-Ostrau vor, aber die Wehrmacht hielt den Vorstoß eine Weile auf. So kam die Rote Armee erst im Mai in den Raum Brünnlitz. Die Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner leistete auf dem Weg zwischen Brünnlitz und Prag noch Widerstand. Dazu kam der Prager Aufstand am 5.Mai. Das alles trug dazu bei, dass die Lage im Raum Brünnlitz sehr prekär war.

Furcht vor Liquidierung des Lagers

Teil von Schindlers Liste, mit den Namen von Izak Stern und Mietek Pemper
Teil von Schindlers Liste, mit den Namen von Izak Stern und Mietek Pemper
Deswegen sorgte sich Oskar Schindler sehr um seine jüdischen Arbeiter. Er hatte Angst, dass Leipold den Befehl zur Liquidierung des Lagers erhalten hatte. Durch eine List konnte er schließlich Leipolds freiwillige Meldung an die Front bewirken. Leipold wurde durch einen 68-jährigen ruhigen und anständigen Mann ersetzt, auch der Großteil der Wachmannschaften wurde zur Front versetzt und durch ruhige anständige Leute abgelöst. Von diesem Zeitpunkt an hatte Oskar Schindler das Kommando über das Lager.

Bewaffnung der Häftlinge

In den letzten Kriegswochen wollte Oskar Schindler das Lager nur noch schützten und so stellte er eine Gruppe von 30 Leuten unter der Führung von Leopold Pfefferberg zusammen und versorgte diese mit Waffen, die er von Rausch im Gegenzug für den Brillantring bekam. Oskar Schindler plante, die Gruppe in SA-Uniformen zu kleiden und sie in den Ort Brünnlitz zu schicken, in welchem sie alle Verbindungen zur Fabrik abschneiden sollten. Kontakt zu tschechischen Untergrundkämpfern wurde aufgenommen und Kooperation vereinbart. Oskar Schindler ließ von Zenon Senwic und Artur Rabner einen Radioempfang einrichten, so konnten sich viele heimlich bei BBC über den Kriegsverlauf informieren.

Fürsorge Schindlers bis über den Krieg hinaus

Oskar Schindler mit Manci und Herman Rosner und Rabbi Menashe Lewertow, New York, 1957  Das Los der Familien Rosner und Horowitz in Plaszow
Oskar Schindler mit Manci und Herman Rosner und Rabbi Menashe Lewertow, New York, 1957

Das Los der Familien Rosner und Horowitz in Plaszow
Oskar Schindler hatte auch dafür gesorgt, dass seine Arbeiter auch nach dem Krieg versorgt waren. Er hatte 18 Wagenladungen Wolle, Leder, Schuhe, Khakistoffe, Zwirn und anderer Materialien besorgt und verteilte diese vor seiner Flucht in der Nacht vom 8./9.Mai an die Juden.

Der Zusammenbruch

Das dritte Reich brach zusammen; am 30. April nahmen sich Adolf Hitler und Eva Braun das Leben. Am Tag davor, ernannte Hitler Karl Dönitz zu seinem Nachfolger, der ab dem 1. Mai die Leitung der Regierungsgeschäfte übernahm. Am 2. Mai ergaben sich die deutschen Truppen in Berlin. Dwight David Eisenhower, Oberkommandierender der Alliierte n Streitkräfte, verlangte die bedingungslose Kapitulation, welche am 7. Mai von Alfred Jodl, Chef der Wehrmacht sführung, unterzeichnet wurde; in der Nacht vom 8./9. Mai wurde die Zeremonie von den Sowjets in Berlin–Karlshorst wiederholt. Die Nachricht vom Ende des Krieges hatte zunächst keine großen Auswirkungen auf die Schindlerjuden, nur änderte sich das Verhalten der SS-Bewacher. Sie betonten ständig, dass sie nur den Befehlen gehorcht, aber niemandem etwas zu Leide getan hätten. Nach den Erzählungen Pemper s, mussten die Juden Oskar Oskar Schindler zur Abreise drängen, da dieser der Ansicht war, die Sowjets würden ihm nichts tun.

Abschiedsrede Schindlers vor seinen Juden

Ehe er Brünnlitz verließ, hielt Oskar Schindler eine hoch reflektierte und sorgfältig vorbereitete Rede vor seinen Arbeitern:

Richten und Rechten“ müsse denen überlassen bleiben, „die dazu befugt werden“. „Im neuen Europa“, so hoffe er, würden sich „unbestechliche Richter“ finden. Man solle den „Soldat an der Front sowie den kleinen Mann, der überall seine Pflicht getan hat“, nicht verantwortlich machen für das, „was eine Gruppe getan hat, die sich auch Deutsche nannten“. Tausende Deutsche hätten deren Morden nicht gebilligt, noch kannten sie das wahre „Ausmaß dieser Gräuel“ nicht. Im Mittelteil seiner Rede erinnerte er daran, was er zum Schutz der Überlebenden geleistet hatte. Er erinnerte an Mühlenbesitzer Daubek, dessen Lebensmittellieferungen und andere Unterstützer.

Für Eurer Überleben dankt nicht mir, dankt Eueren Leuten, die Tag und Nacht arbeiteten, um euch vor der Vernichtung zu retten. Dankt Eueren unerschrockenen Stern und Pemper und einigen Anderen, die bei der Aufgabe für Euch, vor allem in Krakau, jeden Moment dem Tode ins Auge geschaut haben, die an Alle dachten und für Alle sorgten.[17]


Schindlers Abschiedsrede in Brünnlitz

Ring aus Zahngold

Oskar Schindlers Ring aus Zahngold mit dem Text von Talmud: "Wenn einer einen Menschen rettet, so ist es, als ob er eine ganze Welt gerettet hat."
Oskar Schindlers Ring aus Zahngold mit dem Text von Talmud: "Wenn einer einen Menschen rettet, so ist es, als ob er eine ganze Welt gerettet hat."


Ehe Oskar Schindler Brünnlitz verließ, erhielt er einen aus dem Zahngold Simon Jerets gefertigten Ring mit der Inschrift aus dem Talmud: „Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt

Schutzbrief für Schindler

Ausschnitt aus Schindlers Schutzbrief
Ausschnitt aus Schindlers Schutzbrief
Mietek Pemper initiierte einen Schutzbrief, der von Itzhak Stern, Abraham Bankier, Salpeter Leib, Dr. Dawid Schlang, Natan Stern und Dr. Chaim Hilfstein unterzeichnet war, indem sie Oskar Schindlers Bemühungen um die Rettung der Juden hervorhoben:

Dir. Oskar Schindler scheute keine Anstrengung, um diesen Plan auszuführen. Dass er die Genehmigung zur Schaffung des Lagers erwirkte, in welchem sowohl Frauen als auch Männer waren und vor allem Familien zusammen bleiben konnten, ist ein einzig dastehender Fall im ganzen Reichsgebiet. Besonders hervorgehoben werden muss die Tatsache, dass unsere Übersiedelung nach Brünnlitz aufgrund einer namentlichen Liste erfolgte, die in Krakau zusammen gestellt wurde und von der zentralen Verwaltung sämtlicher Konzentrationslager in Oranienburg bestätigt war (einzig dastehender Fall).“[18]

Schindler gab sein Vermögen für die Rettung der Juden

Vermögensverzeichnis Beschreibung Oskar Schindlers Vermögensverzeichnis, 13.12.1965, erste Seite; Quelle  Erika Rosenberg (Hrsg.), Ich, Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente; München 2000; S. 138
Vermögensverzeichnis Beschreibung Oskar Schindlers Vermögensverzeichnis, 13.12.1965, erste Seite; Quelle Erika Rosenberg (Hrsg.), Ich, Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente; München 2000; S. 138

Von Oktober 1944 bis Mai 1945 hatte Oskar Schindler 1 325 000 Mark ausgegeben bzw. verloren, eine für damalige Verhältnisse ungeheure Summe. Nahezu sein ganzes Vermögen hatte er für die Rettung dieser Juden investiert . Er verließ Brünnlitz in Begleitung von 8 Juden, die ihn und Oskar Schindler in die amerikanische Zone geleiten wollten. Ein LKW folgte dem Wagen Oskar Schindlers. Wenn er Zigaretten, Wodka und andere Tauschobjekte und Wertsachen bei sich gehabt hätte, dann gingen diese während des verzweifelten Versuches, das amerikanisches Gebiet zu erreichen, verloren.[19]

Video: Schindler's List - Letzte Finale Scene, Jerusalem
Rede über den Verstorbenen Oskar Schindler • Seite 2
Rede über den Verstorbenen Oskar SchindlerSeite 2

Einzelnachweise

  1. Bericht Oskar Schindlers für den Joint, in: Erika Rosenberg, Ich, Oskar Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen. Briefe und Dokumente; München 2000; S.83-107
  2. Schindler an Lang, Brief vom 20. Juli 1951, abgedruckt bei: E. Rosenberg, a.a.O., S. 25-40
  3. Brief Oskar Oskar Schindlers an Ball-Kaduri, 9.9.1956, abgedruckt bei: E. Rosenberg (Hrsg.), Ich , Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente; München 2000; S.51-55
  4. nach Crowe, S. 468
  5. nach D.Crowe, S. 469
  6. Mietek Pempers, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 214
  7. 4 weitere Personen starben in den darauffolgenden Tagen, so Pemper, S. 215
  8. Pemper, S. 214
  9. Zitiert nach Pemper, S. 215
  10. so D. Crowe, S. 472
  11. Schindlers Finanzbericht 1945
  12. Mietek Pempers, Der Rettende Weg, Hamburg 2005; S. 211
  13. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005; S. 211f
  14. Pemper, S. 218ff
  15. In: Spiegel-TV-Dokumentation, VOX 2003, zitiert nach: Pemper, S. 218
  16. Bericht Stern, zitiert nach D.Crowe, S. 490
  17. Schindlers Rede, zitiert nach Pemper, S. 226
  18. Schutzbrief, zitiert nach Crowe, S. 505
  19. zitiert nach Crowe, S. 507
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