Kapitel 10 - Göths Lebensgefährtin Ruth Kalder

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Ruth Irene Kalder
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Inhaltsverzeichnis

Ruth Kalder – Göths Lebensgefährtin in Plaszów

Ruth Irene Kalder
Ruth Irene Kalder

„„Man wird ihnen berichten, dass ich eine Hure war. Ich habe in der Tat mit einer ganzen Anzahl von Offizieren verkehrt. Doch nur bis ich Göth fand. Und er schenkte mir ein Pferd. Ich bin damals sehr gern geritten. Ach ja, Göth – welch ein Traum von Mann! ...... Es war eine schöne Zeit. Wir waren gerne miteinander. Mein Göth war König, ich war Königin. Wer würde sich das nicht gefallen lassen?““

Ruth Kalder zu Tom Segev, zitiert nach Johannes Sachsenlehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt, 2008, S. 171

Ruth Kalder und Göths Dogge
Ruth Kalder und Göths Dogge

Ruth Kalder wird Göths Herzdame

Monika Hertwig, Tochter von Amon Göth und Ruth Irene Kalder
Monika Hertwig, Tochter von Amon Göth und Ruth Irene Kalder
Oskar Schindler bringt Ruth Kalder im Frühjahr 1943 mit ins Rote Haus in Plaszow. Sie stammt aus Gleiwitz, ihr Vater ist Parteimitglied und Besitzer einer Fahrschule. Ruth hat in Essen eine Schauspielschule besucht und ein Diplom als Kosmetikerin.

In Krakau arbeitet sie als Sekretärin für die Wehrmacht. Man sagt ihr nach, dass sie kleinen Abenteuern mit Uniformierten nicht abgeneigt ist. Ihrer Tochter Monika gegenüber spricht sie später davon, dass Göth ein „Traum von einem Mann“ gewesen sei, so groß und so stark. Sie ist sofort begeistert und hat nur noch Augen für ihn. Schließlich übernimmt sie die Initiative und ruft ihn wieder an. Göth ist anfangs misstrauisch und hält sie für eine Gespielin und Vertraute Schindlers. Sie kann aber Göths Bedenken rasch zerstreuen.

Einzug in Göths Villa

Ruth Irene Kalder ist „völlig fixiert und fasziniert“ von Mony und er offensichtlich von ihr. Anfangs zieht sie, um den Anstand zu wahren, noch nicht in die Kommandeurs-Wohnung ein. Göth erklärt ihr offen, dass wegen seiner beiden Kinder Werner und Inge eine Scheidung nicht in Frage komme. Von seiner Tochter Inge hängt sogar ein überlebensgroßes Bild im Haus.

Aber dann zieht sie schließlich doch bei ihm ein. Die Tatsache, dass sie auf dem Terrain eines Zwangsarbeiterlagers lebt, in dem Mord und Folter an der Tagesordnung sind, schient sie zunächst nicht richtig wahrzunehmen.

Irene Kalder beim Sonnenbaden mit einer Freundin
Irene Kalder beim Sonnenbaden mit einer Freundin

Liebesentzug für Göth

Foto von Ruth Irene Kalder mit Freundin und der tödlichen Dogge
Foto von Ruth Irene Kalder mit Freundin und der tödlichen Dogge

Ruth behauptet später, sie verabscheue Gewalt. Sie will sogar Göth gegenüber mit Liebesentzug gedroht haben: “Wenn du nicht aufhörst, Juden zu erschießen, gehe ich mit dir nicht mehr ins Bett!“[1] Diesem Ultimatum scheint er aber allenfalls ein paar Tage nachgekommen zu sein. Allerdings genießt Majola unter den Häftlingen einen verhältnismäßig guten Ruf.

Tagesablauf des „privaten“ Göth

Mony und Majola finden rasch feste Lebensgewohnheiten: Nach dem Aufstehen reiten sie aus, erst dann folgt das Frühstück, zu dem sich Ruth sorgfältig schminkt, mindestens eine Stunde lang. Mony widmet sich dann dem Dienst im Lager, Ruth gibt dem Dienstmädchen Anweisungen für das Mittagessen.

Amon Göth ist ein Mann mit großem Appetit und verzehrt Unmengen von Fleisch, besonders gerne verschlingt er kiloweise Beef tartare, dazu auch Gemüse und Obst. Zum Nachtisch gibt es Kuchen und Torten, die ein Zuckerbäcker für ihn täglich zubereitet. Zum Essen gibt es immer auch Alkohol, danach folgt ab und zu nochmals ein Ausritt, dann spielt Ruth mit einer der Frauen der SS-Offiziere Tennis oder nimmt ein Sonnenbad im Freien. Schließlich denkt Ruth an die Abendveranstaltung. Schönheitspflege wird großgeschrieben: tägliche Massage, Gesichtsmasken aus Eidotter und geraspelten Gurken.

Abendveranstaltungen

Die Rosner-Brüder nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Rosner-Brüder nach dem Zweiten Weltkrieg
Bei der Abendparty bevorzugen Göth und seine Göttin schmissige Live-Musik, vor allem auch Jazz. Hermann und Poldek Rosner vertauschen ihre Häftlingskleidung dann mit eleganten Anzügen und sorgen mit Ziehharmonika und Geige für beste Stimmung bei den Gästen des Kommandanten und seiner Freundin, die in ihrer Rolle als „Dame des Hauses“ gänzlich aufgeht. Ruth Kalder empfindet die Zeit in Plaszów als Höhepunkt ihres Lebens.

Für die Häftlinge führt das Aufbrechen der Rosnerbrüder in Göths Villa zu erleichtertem Aufatmen. Sie wissen, dass an diesem Abend und in der Nacht von Göth nichts mehr zu befürchten ist.

Zur Musik gibt es Alkohol in unvorstellbaren Mengen: Champagner, Wein, Cognac, alles in bester Qualität, dazu kommt Essen, das meist in einer Fressorgie ausartet.[2] Ruth, die sich immer unter Kontrolle hat, muss nicht selten zusehen, wie ihr Amon und seine Gäste alle Zügel schießen lassen.

In den Augen der vorzüglichen Beobachterin Helen Sternlicht wirkt Ruth Kalder so, „als nähme sie die Vorgänge um sich herum gar nicht wahr“.[3] Daher vermutlich auch die laute Musik. Sie übertönt das Krachen der Todesschüsse aus dem Lager.

Göth will Lena Hirsch vergewaltigen

Portrait von Helena Hirsch
Portrait von Helena Hirsch
Amon Göth
Amon Göth
Lena Hirsch erlebt einmal, wie Amon Göth völlig betrunken nach ihr klingelt. Als sie ins Wohnzimmer kommt, steht Göth splitternackt im Raum, in der Hand seine Peitsche haltend, wütend gestikulierend und Befehle erteilend:

[4]Ohne ein weiteres Wort beginnt er sie zu schlagen, reißt ihr dann die Kleider vom Leib und versucht sie zu vergewaltigen. Helen schreit verzweifelt um Hilfe, etwas, was sie bisher noch nie gemacht hatte, doch nun scheint ihr Peiniger jede Kontrolle über sich selbst verloren zu haben. Helen hat Glück: Majola, die im Dachgeschoss die Hilferufe hört, stürzt die Stiege hinunter und drängt Göth zurück, der schließlich von Helen ablässt und langsam wieder zu sich kommt. Helen ist überzeugt, dass Göth sie getötet hätte, wäre nicht seine Geliebte dazwischengegangen.“

Göth und polnische Prostitutierte

Das "Rote Haus"
Das "Rote Haus"
Lena Helen Hirsch berichtet auch davon, dass Göth zu Beginn seiner Herrschaft in Plaszów polnische Prostituierte in „Rote Haus“ kommen lässt; sexuell unersättlich sei Göth gewesen, ein Mann mit unglaublichem „Stehvermögen“, der diese Frauen ebenso behandelt habe wie seine Häftlinge.[5]

Göth und sein weibliches Dienstpersonal

Zu allen Mädchen, die für ihn arbeiten, hat Göth ein eigenartiges Verhältnis. Sie werden von ihm als persönliches Eigentum betrachtet. Eifersüchtig wacht er über sie, sie haben nur ihm zu dienen. Als einer der Gäste der schönen Putzfrau Nuisia Reich in Göths Beisein auf die Schulter klopft, befiehlt er, das Mädchen hinauszuführen und sofort zu erschießen. Verzweifelt bittet Nuisia um ihr Leben, sie müsse sich doch um ihren Bruder Dolek kümmern, den sie nicht alleine im Lager zurücklassen könne. Da holen die SS-Schergen auch ihn aus der Werkstatt, bringen die beiden Geschwister auf den Schwanzhügel und ermorden sie kaltblütig.[6]

Göth spielt Gott

Jakub Stendig charakterisierte Göth als orientalischen Herrscher. Göth fühlt sich als Auserwählter. Es beflügelt und berauscht ihn, die Schicksalsfäden von Tausenden von Menschen in den Händen zu halten. Sein Name Amon Göth, so spekuliert er vor sich hin, sei die Verdoppelung Gottes.

Natek Szlamowitsch, 1926 in Dzialoszyce geboren, wird Zeuge eines bezeichnenden Vorfalles. Er arbeitet in Göths Villa, während andere Häftlinge mit dem Tragen von Ziegeln beschäftigt sind. Göth hetzt plötzlich seinen Hund auf einen der Arbeiter, der von ihm buchstäblich in Stücke gerissen wird. Nach einigen Minuten ruft er die Bestie zurück, der Mann lebt noch. Göth befiehlt den anderen Arbeitern, an dem Sterbenden vorbeizumarschieren und sich das Bild des zerfetzten, blutigen Körpers einzuprägen. Sein Kommentar dazu: „Ihr betet zu euerem Gott, doch er kann euch nicht helfen. Aber ich, Göth, kann euch alle in einer Stunde umlegen!“[7]

Ein Spieler, der nicht verlieren kann

Göth ist ein begeisterter Schachspieler. Sein Gegner ist Raimund Titsch, der Betriebsleiter der Madritsch-Nähereien. Er setzt sich wo immer nur möglich, für das Wohlergehen der jüdischen Arbeiter ein. Einmal treibt Titsch nach raschem Spiel ins Matt. Göth verkraftet die Niederlage nicht.

Er springt auf, kippt den Spieltisch um und stürzt, bewaffnet mit zwei Revolvern, ins Freie. Er war drauf und dran, jeden Juden, den er zu Gesicht bekam, zu erschießen.“[8]

Alarmiert durch diesen Vorfall ändert Titsch seine Taktik – er lässt Göth fortan gewinnen, versteht aber die Partien so zu gestalten, dass dieser keinen Verdacht schöpft und überzeugt ist, der bessere Stratege im Kampf um König und Dame zu sein.

Heimliche Photoaufnahmen vom Lageralltag in Plaszow

SS Guards in Plaszow
SS Guards in Plaszow
Raimund Titsch nutzt als Hobbyphotograph die Möglichkeit seines Umgangs mit Göth und Ruth Kalder dazu, heimlich einige Aufnahmen von Göth zu machen, die ihn mit nacktem Oberkörper im Liegestuhl und mit dem Gewehr auf dem Balkon zeigen. Daneben fotografiert Titsch auch den Lageralltag: Seine Bilder vom „Mannschaftszug“ der Häftlingsfrauen, von der Suppenausgabe oder den marschierenden Arbeitskommandos bestimmen unser Bild von Plaszów.

Abenteuerliche Geschichte der Photos aus Plaszow

Adresse von Raimund Titsch im Nachlaß Oskar Schindlers, BA Koblenz
Adresse von Raimund Titsch im Nachlaß Oskar Schindlers, BA Koblenz
Titsch bewahrt die Filme in einer Stahlkassette und bringt sie nach Kriegsende nach Wien, wo er sie in einer Parkanlage vergräbt. Er hat Angst um sein Leben, denn angeblich soll er als Vaterlandsverräter auf einer Liste der geheimen SS-Hilfsorganisation ODESSA stehen. 1963 bekommt Titsch, bereits schwer herzkrank, Besuch von einem Überlebenden aus Plaszow, Leopold „Poldek“ Pfefferberg-Page. Dieser kauft ihm die Filme für 500 Dollar ab und bringt sie in die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nach Tel Aviv. 101 gestochen scharfe Fotos aus Amon Göths Reich. Später stiftet Pfefferberg-Page die Fotos dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Raimund Titsch, der 1964 stirbt, wird unter die „Gerechten Österreichs“ aufgenommen.

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008, S. 168
  2. ebenda, S. 171
  3. ebenda
  4. ebenda
  5. ebenda, S. 173
  6. ebenda
  7. zitiert nach J. Sachslehner, a.a.O., S. 174
  8. Interview Raimund Titsch mit Martin Gosch und Howard Koch, zitiert nach J.Sachslehner, a.a.O., S. 176

Mittlerweile ist das Buch der Enkelin von Amon Göth erschienen: Jennifer Teege. Amon.Mein Großvater hätte mich erschossen. Reinbek 2013. Das Buch ist die Suche nach der eigenen Identität, trägt aber zum Bild des historischen Amon Göth nichts bei. Allerdings relativiert sich die Sicht auf Ruth Irene Kalder leicht. Jennifer Teege schildert ihre Großmutter aus der Erinnerung und Perspektive eines 9-jährigen Kindes.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2038306/Jennifer-Teege-Mein-Grossvater-Amon-Goethhttp://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2038306/Jennifer-Teege-Mein-Grossvater-Amon-Goeth

http://www.dailymail.co.uk/news/article-2438552/Jennifer-Teege-Black-woman-granddaughter-notorious-Schindlers-List-Nazi-butcher-Amon-Goeth.html

http://www.sueddeutsche.de/kultur/roman-amon-von-jennifer-teege-mein-opa-der-massenmoerder-1.1779634

http://www.dw.de/jennifer-teege-grandaughter-of-nazi-war-criminal-amon-g%C3%B6th/a-17262860

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