Kapitel 11 - Sex und Liebe

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Eingang des Lagers in Plaszow
Eingang des Lagers in Plaszow

Neben Hunger, Angst, dem Töten und dem Foltern gibt es auch noch Liebe und Sex im Lager. Da man nie weiß, wie lange man noch zu leben hat, ist Sex die einzige Möglichkeit sich noch einmal in diesem Leben der Lust hinzugeben und dies wird von vielen als legitim empfunden. Die Promiskuität war sehr hoch. Viele junge Frauen haben ihren Körper für ein Stück Brot, eine Schüssel Suppe oder einem anderen Lebensmittel verkauft.

Inhaltsverzeichnis

Auf Sex und "Händchenhalten" stand die Todesstrafe

Plaszow-Das KZ. Zeichnung von Jozef Bau, einem Gefangenen.
Plaszow-Das KZ. Zeichnung von Jozef Bau, einem Gefangenen.

An Kunden fehlte es nicht – es gab viele junge Männer und Unverheiratete, die wie „ausgehungert“ hinter den hübschen Mädchen aus dem Lager wie „wilde Tiere“ her sind und auch vor einer Nötigung zum Sex nicht halt machen. Das Risiko ist hoch: Wurde ein Pärchen in einer dunklen Ecke, sei es auch nur beim Händchen halten von der SS erwischt, so wurden beide exekutiert, wurde ein Häftling im Camp der Frauen erwischt, so wurde er sofort erschossen. Und wenn eine Frau schwanger wurde, bedeutete das den sicheren Tod.

Aber in einer Welt, in der gnadenlose Gewalt und zynischer Terror herrschen, ist die Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeiten sehr groß: „Wir sehnten uns nach Gesellschaft, brauchten emotionalen Zuspruch, Anteilnahme .... Nach sechs Uhr hatten wir uns in den Baracken aufzuhalten und dort sprachen wir über junge Männer und die Liebe.“[1] Doch es blieb nicht immer nur bei sehnsüchtigen Gesprächen. Im dunklen Reich Göths wuchsen Gefühle, die stärker als sein Kult des Todes waren.

Love Story : Joseph Bau und Rebekka Tennenbaum

Joseph und Rebekka Bau 1993
Joseph und Rebekka Bau 1993
Izak Stern und Oskar Schindler bei einem Treffen in Paris, 1949
Izak Stern und Oskar Schindler bei einem Treffen in Paris, 1949

Joseph Bau, Graphiker verliebt sich in ein hübsches Mädchen, das im Büro von Itzhak Stern arbeitete. Er findet heraus, dass seine Angebetete in der Baracke Nr.57 „wohnt“ und wartete dort nach dem Abendappell vor der Baracke auf sie. Noch sind Frauen und Männer nicht in zwei Lager, sondern nur nach Baracken getrennt, sodass man sich zwischen sieben und neun treffen konnte. Die zwei verstehen sich vom ersten Moment an ausgezeichnet und es kommt sogar zum Kuss zwischen Joseph und Rebekka Tennenbaum. Von da an wartet er jeden Morgen vor der Baracke auf sie und half ihr so gut es geht. Manchmal wagt sich Joseph sogar in das Innere, was ein höchst gefährliches Unternehmen war, da ihm beim Entdecken der Tod droht. Die Nacht muss er in so einem Fall bei Rebekka verbringen und am Morgen muss er sich als Frau verkleidet aus der Baracke schleichen. Um sich möglichst schnell finden zu können, benutzen Joseph und Rebekka, wie viele andere Paare auch, zwei Pfeifen, die ein unverkennbares Signal geben. Jeden Abend schrillen Hunderte von Pfeifen über den Platz und machen ein Wiederfinden noch schwerer. Einmal begegnet sich das junge Paar sogar in der Villa von Göth, doch sie wissen die unverhoffte Gelegenheit zu nützen. Die Beziehung der beiden überdauert gefährliche Momente, „Aktionen“ und „Selektionen“, bei denen sie wie durch ein Wunder nicht für immer getrennt werden.

Hochzeit und Hochzeitsnacht mit Hindernissen

Baracken im KZ Plaszów
Baracken im KZ Plaszów

Schließlich findet eine „Hochzeit“ statt. Joseph tauscht gegen einen Silberlöffel vier Laib Brot ein und für einen weiteren Silberlöffel lässt er sich vom Uhrmacher zwei Ringe anfertigen. Am 13. Februar 1944 ist es dann soweit, allerdings gibt es keinen Rabbi, keine Gäste, keine Musik und keine Zeugen. Es sind nur Joseph und Rebekka, und deren Mutter da. Diese gab den beiden ihren Segen und es kam zum Ringaustausch. Joseph spricht die traditionelle Formel Harei at mekudeschet li kedat Mosche ve Jisrael (Durch diesen Ring bist du mir angelobt nach dem Gesetz Moses und Israels). Die „Hochzeitsnacht“ danach findet in der Frauenbaracke statt. Doch gerade in dem Moment, in dem die Blockälteste das Licht abdrehen will, betritt ein SS-Offizier die Baracke, um nach versteckten Männern zu suchen. Aber sie haben Glück und Joseph bleibt unentdeckt. Von draußen hört man die Schreie von Männern, die entdeckt und anschließend zu Tode geprügelt wurden.

Doch gerade als Joseph sich wieder sicher fühlt, ertönt das Signal, das die Männer zum Appell ruft. Schnell rennt Joseph zu den Männerbaracken, doch das unter elektrischer Spannung stehende Tor zum Männerlager ist bereits geschlossen. Er springt über den Zaun und hat unendliches Glück, dass er nur mit den Fingern und Zehen die Drahtspitzen streift. Als er endlich auf dem Appellplatz eintrifft ertönte aus den Lautsprechern die Information, dass der Appell abgesagt worden ist...

Die Geschichte von Giza

Göths Villa; Quelle: Sachslehner, S. 239
Göths Villa; Quelle: Sachslehner, S. 239

Die Geschichte von Giza ist zur Legende geworden. Viele kennen die Geschichte nur vom Hörensagen. Auch im Lager Göths schaffte es Giza, ihr gutes Aussehen und ihre Lebenszugewandtheit zu bewahren. Da auch die Nazis einen Blick für hübsche Mädchen haben, wird Giza immer bei Partys in Göths Villa als Hausmädchen abkommandiert.

Oft schafft sie es, so manche Köstlichkeit für ihre Mithäftlinge in die Baracken zu schmuggeln. Eines Nachmittags bringt man sie wieder in die Villa. Zuerst muss sie wie immer Fußböden schrubben und Kisten mit Wodka, Bier und Wein schleppen, doch dann soll sie im Salon die Gäste bedienen. Rasch erhält Giza ein schwarzes Kleid und eine weiße Schürze. Als sie den Raum betritt merkt sie rasch, dass man noch einen Ehrengast erwartet.

Ehrengast Adolf Eichmann

Göth stellt den Anwesenden den Ehrengast vor: es ist Adolf Eichmann. Sie sieht zu, wie die Damen ihm ihre Hände zum Kuss reichten und plötzlich schießt ihr eine Idee durch den Kopf: Sie reißt sich ihre Schürze herunter und richtet sich kerzengerade auf – gerade als Eichmann vor ihr steht. Giza lächelt und Adolf Eichmann hebt auch ihre Hand zum Kuss. Göth und die SS-Offiziere reagieren nicht, denn sie sind zu verblüfft. Das Fest geht weiter und man schickt Giza erst nach Mitternacht zurück in die Baracke, bringt den anderen ein Bündel Essen mit. Gerade als sie den anderen Frauen von ihrem Erlebnis mit Adolf Eichmann erzählte, biegen sich die Frauen vor Lachen. Ein wichtiger Nazi hat die Hand einer Jüdin geküsst!

Giza bezahlt ihre Provokation mit dem Leben. Plötzlich aber stürmen zwei SS-Männer herein. Die Frauen springen von ihren Pritschen auf und stehen habacht. Die SS-Männer fragen die Blockälteste leise etwas und diese deutete auf Giza. Da fassen sie Giza unter den Armen und schleppen sie nach draußen. Wenig später ertönte ein einzelner Schuss – Giza hatte ihre Provokation mit dem Tode bezahlt...

Einzelnachweise

  1. Bronia Gross-Günz, zitiert nach J. Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Klagenfurt-Graz 2008, S. 179
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