Kapitel 13 - Mörder ohne Reue

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Amon Göth vor Gericht
Amon Göth vor Gericht

Inhaltsverzeichnis

NS-Kriegsverbrecherprozesse in Polen

Warsaw, Poland, Portrait of Rudolf Hoess, the commander of Auschwitz, during his trial in Poland
Warsaw, Poland, Portrait of Rudolf Hoess, the commander of Auschwitz, during his trial in Poland

Bereits im Winter 1944/45, noch vor dem offiziellem Ende des Krieges am 8.Mai, ernannte die polnische Regierung eine Sonderkommission zur Untersuchung der Naziverbrechen. Eines der führenden Mitglieder dieses Ausschusses war Dr. Jan Sehn, der später eine Professur für Kriminalistik an der Jagiellonen Universität in Krakau erhielt. Am 27. Januar war er ins befreite Auschwitz gekommen und hatte den Massenmord dokumentiert[1]. Unter anderem hatte sich die Kommission auch nach Plaszow begeben. Sehn bat Pemper um die Aufzeichnung seiner Erinnerungen. Die Anklageschrift gegen Göth basierte dann auch weitgehend auf Mietek Pempers Aussagen. Gemäß dem Abkommen der Moskauer Außenministerkonferenz lieferten die USA Amon Göth gemeinsam mit dem Lagerleiter von Auschwitz, Rudolf Höß, nach Polen aus.[2]

Bild:Identifikation Amon Göths als Prisoner of War.jpg
Identifikation Amon Göths als Prisoner of War

Prozess gegen Amon Leopold Göth

Krakow, Poland, 1946, a photograph of Amon Goeth, commander of the Plaszow concentration camp during his trial. Quelle: Yad Vashem
Krakow, Poland, 1946, a photograph of Amon Goeth, commander of the Plaszow concentration camp during his trial. Quelle: Yad Vashem

Der Prozess gegen Göth war das erste große Verfahren dieser Art in Polen und wurde gemäss den Statuten des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg durchgeführt. Göth verfügte über zwei Pflichtverteidiger und einen Dolmetscher, die Anklageschrift lag auch in deutscher Sprache vor. Göth konnte Fragen stellen, Gegendarstellungen vorbringen und Zeugen ins Kreuzverhör nehmen.[3] Göth war bei der Präsentation der Anklageschrift überrascht: „Was? So viele Juden? Uns hat man immer gesagt, da wird kein Schwanz übrig bleiben.“[4] Offensichtlich hatten die Mörder gehofft, aus Mangel an überlebenden Zeugen niemals zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Zeugenbenennung durch Göth

Dr. Aleksander Biberstein 1954, Quelle: Yad Vashem
Dr. Aleksander Biberstein 1954, Quelle: Yad Vashem
Dr. Gross, Quelle: Yad Vasehm
Dr. Gross, Quelle: Yad Vasehm

Im Laufe des Prozesses verlangte Göth, Oskar Schindler, die jüdischen Ärzte Dr. Aleksander Biberstein und Dr. Leo Groß sowie Mietek Pemper als Entlastungszeugen vorzuladen. Dr. Groß stand unter der Anklage der Kollaboration, während Biberstein und Pemper Zeugen der Anklage waren. Schindler lebte zu dieser Zeit in Regensburg und nahm im Herbst 1946 nach der Vollstreckung des Todesurteils Kontakt zu Pemper auf.[5]

Pemper deckt Befehlsmechanismen auf

Pemper konnte beim Prozess gegen Amon Leopold Göth mit den organisatorischen Zusammenhängen und Befehlsmechanismen aufwarten, die ihm aus seiner Arbeit in der Lagerkommandantur bekannt waren. Der Prozess dauerte vom 27. August bis zum 5. September 1946. Genau zwei Jahre nach Göths Verhaftung in Wien wurde die Vollstreckung des Urteils durch Strang am 13. September 1946 vollzogen.

Anklagen gegen Göth

Das Interesse am Prozess war überaus groß, da Göth auch als gnadenloser Peiniger und Mörder nichtjüdischer Polen verhasst war. Der Anklageschrift zufolge war Göth allein im Lager Plaszow für die Ermordung von 8000 Menschen verantwortlich und mitschuldig am Tod von weiteren 2000 Menschen bei der Liquidierung des Ghettos in Krakau-Podgorze am 13. und 14. März 1943. Der Sachverständige Dr. Ludwig Ehrlich, Professor für Internationales Recht an der Jagiellonen Universität charakterisierte Göths Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dieser Terminus entsprach den völkerrechtlichen Überlegungen der Alliierten, die darunter den Versuch der systematischen Ausrottung, Versklavung, Deportation und Ermordung eines Teils der Zivilbevölkerung verstanden. Ehrlichs Argumentation entsprach den Statuten des Internationalen Militärgerichtshofes (IMT) in Nürnberg[6]. Göths Mitgliedschaft in der Waffen-SS wurde als kriminell bezeichnet und wurde gleichzeitig des Genozids beschuldigt[7]. Göth verwies im Prozess darauf, dass er lediglich Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht habe.

Aussage Helena Hirsch Horowitz (pdf)

Wer Göth sah, hat den Tod gesehen“ (Leopold Pfefferberg)

Oskar Schindler und Leopold "Poldek" Pfefferberg
Oskar Schindler und Leopold "Poldek" Pfefferberg

Obwohl die Freunde Pempers sich bewusst waren, dass Göth in Gefangenschaft ihnen nichts mehr tun könne, hatten sie dennoch Angst. Zu Mietek Pemper äußerten sie: „Wir verstehen nicht, wie Du das all die Monate hast aushalten können bei ihm im Büro.“ Pemper hielt angesichts der systematischen Verfolgung, Demütigung, Folterung und Ermordung seiner jüdischen Mitbürger die Aussage für seine Pflicht. Viele der Zeugen hatten Göth dabei beobachtet, wie er folterte, Menschen erschoss, aber das gesamte Netz seiner Zuständigkeiten und Befugnisse kannte nur Pemper. Seine Aussagen nahmen zwei Stunden in Anspruch.

Überführung durch unzweideutige Beweise

Am folgenden Tag nahm Göth Pemper 90 Minuten ins Kreuzverhör. Pemper berichtete über die „Gesundheitsaktion“ vom Mai 1944 und über das abgekartete Spiel bei der Ermordung des Jüdischen Lagerältesten Wilhelm Chilowicz, von seinem Einblick in die Geheimkorrespondenz im Panzerschrank der Kommandantur. Göth musste im Prozess erkennen, dass sein „Bürosklave“[8] systematisch Informationen gesammelt und genutzt hatte, um seinen Mitgefangenen zu helfen:

Sicher nicht zum ersten Mal dürfte er bereut haben, dass er diesen Pemper nicht erschossen hatte, denn meine Aussagen waren eindeutig und so unwiderlegbar, dass sich Göth als intelligenter Mensch in diesen Minuten ausgemalt haben muß, was ihm blühte.“[9]

Die Juristen Krakaus betrachteten Pemper mit einigem Erstaunen. Niemand konnte sich so richtig vorstellen, wie ein 23-jähriger junger Mann einen „je nach Stimmung hemmungslos mordenden Lagerkommandanten so lange und so wohlüberlegt hatte austricksen können“.[10]

Tätigkeit bei weiteren NS-Prozessen

Arnold Büscher, Quelle: Yad Vashem
Arnold Büscher, Quelle: Yad Vashem

Wegen seiner Zweisprachigkeit arbeitete Pemper als Dolmetscher auch noch bei weiteren NS-Prozessen, als Zeuge sagte er in Krakau auch gegen Lorenz Landstorfer und gegen zehn andere SS-Männer aus Plaszow aus, ebenso gegen Arnold Büscher, den Nachfolger von Amon Göth. Auch bei weiteren NS-Prozessen in Deutschland in Hannover und Kiel wurde Pemper als Zeuge vernommen.

Angeklagte NS-Verbrecher (pdf)

Prozess gegen Rudolf Höß in Warschau

Im Prozess gegen Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, der in Warschau stattfand, fungierte Pemper als Berater, da nur wenige die stenographischen Notizen von Höß und von Maria Mandl, der berüchtigten SS-Lagerführerin von Auschwitz-Birkenau entziffern konnten.[1] Rudolf Höß wurde am 2. April 1947 auf dem Gelände des KZ Auschwitz hingerichtet.

Auschwitz-Prozess in Krakau 1947

Krakow, Poland, The Auschwitz trial, Maria Mendel, a defendant from the guards staff. Quelle: Yad Vashem
Krakow, Poland, The Auschwitz trial, Maria Mendel, a defendant from the guards staff. Quelle: Yad Vashem

Im großen Auschwitz-Prozess 1947, in dem zweiundzwanzig von vierzig Leuten am 22. Dezember 1947 zum Tode verurteilt wurden und welcher der größte Prozess gegen Naziverbrechen in Polen war, saßen unter anderem Arthur Liebehenschel, Maria Mandel, Dr. med. Johann Paul Kremer, Ludwig Plagge und Dr. med. Hans Münch auf der Anklagebank. In dem Prozess schilderten die Zeugen schreckliche Szenen, unter anderem dass die Oberaufseherin Maria Mandel mit Stöckchen in den Genitalien der ankommenden Frauen bohrte, um versteckte Wertgegenstände zu finden.

Freispruch für Dr. Münch

Dr. Josef Mengele
Dr. Josef Mengele

Der einzige, der bei diesem Prozess freigesprochen wurde, war der Arzt Dr. Münch, der in Rajsko im SS-Hygiene-Institut, das zum KZ Auschwitz gehörte, tätig gewesen war. Einige Zeuginnen berichteten, dass er sich um sie gekümmert und ihnen Essen zugesteckt habe und sie sogar manchmal gewarnt hatte wenn am nächsten Tag Selektionen stattfinden sollten, weswegen er diese dann im Institut übernachten ließ. Münch wurde allerdings 1947 nur mangels fehlender Dokumente freigesprochen. Untersuchungen ergaben, dass sich Münch abfällig über Ostjuden geäußert hatte und ein Bewunderer von Josef Mengele gewesen war[2]. Münch wurde nach seiner Freilassung nach Deutschland abgeschoben und führte bis zu seiner Pensionierung in Roßhaupten am Forggensee eine Privatpraxis.

Pemper überführt Göths Vorgesetzten Willi Haase

Bei dem Prozess gegen den SS-Sturmbannführer und Vorgesetzten von Amon Göth Willi Haase, bei dem Mietek Pemper ebenfalls als Zeuge aussagte, gab es einige Verwirrungen. Haase behauptete, es liege eine Verwechslung vor, er sei nicht der gesuchte SS-Sturmbannführer. Nur dank Pempers überragendem Gedächtnis und seiner Detailkenntnisse konnte Haase überführt werden, der daraufhin nicht länger seine Identität abstritt. Am Ende wurde Haase wegen seiner Verbrechen bei der Auflösung der Ghettos zum Tode verurteilt.

Einsatz für Dr. Johann Paul Kremer

Dr. Johann Paul Kremer
Dr. Johann Paul Kremer

Pemper verfasste für Dr. Johann Paul Kremer, einen Mediziner aus Münster im Rahmen des großen Auschwitz-Prozesses ein Gnadengesuch. Mietek schrieb, dass man berücksichtigen müsse, dass er nur wenige Monate in Auschwitz gewesen sei und auch nicht freiwillig. In seinem Tagebuch, das Kremer geführt hatte, hatte dieser sich nie abfällig über Juden geäußert. Pemper fand dieses Tagebuch insofern sehr bedeutend, als hier ein deutscher Professor den klaren Beweis für die Existenz von Auschwitz und Birkenau als Vernichtungslager führte. Das Gericht beanstandete allerdings, dass Kremer in seinem Tagebuch im gleichen Atemzug von der Entnahme frischer Leberzellen bei einem Häftling und sodann das leckere Mittagessen in der SS-Kantine beschrieben hatte.

Schulddifferenzierung

Bild:Begnadigungsgesuch Amon Göth.jpg
Begnadigungsgesuch Amon Göth

Pemper schrieb das Gnadengesuch aus echter Überzeugung, weil er fand, dass man differenzieren müsse zwischen Leuten wie Amon Göth und Kremer. Er verlor den Fall Kremer aus den Augen und erfuhr erst nach 1958 von seinem Prozess in Münster. Dort stand er zu dieser Zeit erneut vor Gericht, denn nach seiner 10-jährigen Haftstrafe, die er aufgrund des Gnadengesuchs erhalten hatte, war er von Bromberg, wo er diese Strafe abgesessen hatte, nach Deutschland abgeschoben worden, wo er wegen seiner Tätigkeit in reichsdeutschen Konzentrationslagern eine mehrjährige Gefängnisstrafe erhielt. Allerdings verließ Kremer den Gerichtssaal als freier Mann, da ihm seine Gefängnisstrafe in Polen angerechnet wurde.

Prozess gegen Dr. Josef Bühler

Haus der Wannsee-Konferenz
Haus der Wannsee-Konferenz
Akt Okarzonia, Josef Bühler, polnisch, 31.5.1948
Akt Okarzonia, Josef Bühler, polnisch, 31.5.1948

1948 fand in Krakau ein Verfahren gegen Dr. Josef Bühler, den Stellvertreter des Generalgouverneurs Dr. Hans Frank statt.[3] Frank wurde am 1.Oktober 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilt und einige Monate später gehängt. Weil der Prozess nicht in Polen stattgefunden hatte, kam dem Prozess gegen seinen Stellvertreter umso größere Bedeutung zu. Anfangs sah es sehr gut für Bühler aus, da viele Zeugen aussagten, dass er ihnen wo er nur konnte geholfen habe und sich vor allem um katholische Belange angenommen hatte. Die erzbischöfliche Kurie in Krakau stellte seinen Verteidiger. Aber was bis zu diesem Zeitpunkt nur Staatsanwalt Professor Jerzy Sawicki wusste und auch Pemper erzählte, war, dass er auf Einladung von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich an der Wannsee-Konferenz teilgenommen hatte.

Teilnahme an der Wannsee-Konferenz

Mietek Pemper
Mietek Pemper

Aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz geht hervor, dass Bühler den Antrag gestellt hatte, mit der Judenvernichtung im Generalgouvernement zu beginnen[4]. „Allein dieser Vorschlag, im Generalgouvernement mit der Vernichtung von fast zweieinhalb Millionen Menschen zu beginnen“, erklärte der Staatsanwalt beim Prozess, „reicht aus, um die Todesstrafe zu begründen.“[5]

Bühler gehörte zwar nicht zu den direkten Tätern, doch ihn beging er von seinem Schreibtisch aus "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"[6] Pemper befragte ihn als sein Dolmetscher zu seiner Initiative bei der Wannsee-Konferenz. Er zeigte keinerlei Spur von Scham oder Bedauern:

Es gab etwa zweieinhalb Millionen Juden im Generalgouvernement, und wir hatten für sie keine Beschäftigung, keine Arbeit und keine richtige Unterbringung. Es gab Lebensmittelprobleme, und wir hatten Angst vor Epidemien. Ich wollte nur, dass die Juden endlich verschwinden. Aber ich wusste nicht, dass die Leute in den Tod gehen sollten.“[7]

Bühler wurde zur Todesstrafe verurteilt. Der Staatsanwalt erklärte Pemper später, dass Bühler die Todesstrafe aus politischen Gründen bekommen habe, da man den Polen gegenüber ein Zeichen setzen wollte. Da Hans Frank nicht ausgeliefert wurde, war Bühler gewissermaßen ein Bauernopfer, der ansonsten mit einer Gefängnisstrafe davongekommen wäre.

Keine Worte des Bedauerns seitens der Täter

Pemper schrieb alle seine Erinnerungen auf und machte dies zum Teil auch, um zu demonstrieren, dass er, obwohl er 540 Tage für Amon Göth arbeiten musste, sich nichts zuschulden kommen ließ. Das war auch ein Grund, weshalb er sich bereiterklärte, als Hauptzeuge gegen Amon Göth aufzutreten. Pemper bedauert, dass bei allen Verhandlungen, bei denen er als Zeuge oder als Dolmetscher fungierte, niemals von den Tätern ein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns gehört hat.

Einzelnachweise

  1. Pemper, S. 247
  2. Pemper, S. 248f
  3. Der Prozess gegen Josef Bühler fand laut Law Report of Trials of War Criminals, The United Nations War Crimes Commission, Bd XIV, London, HMSO, 1949 vom 17.Juni bis zum 10. Juli 1948 in Krakau statt, so Pemper, S. 252 mit Angabe der Internetadresse
  4. zitiert nach Pemper, S.253f
  5. zitiert nach Pemper, S. 254
  6. Pemper, S. 255
  7. Zitiert nach Pemper, S. 255
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