Kapitel 14 - Das Polenlager

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Massengrab nach Erschießung
Massengrab nach Erschießung

Das Lager der alten polnischen Königsstadt Krakau, wächst 1943 rasch weiter; die Häftlinge stammen von nun an nicht nur aus dem Krakauer Ghetto. Im Juni 1943 treffen etwa 522 Juden aus Boryslaw, Überlebende der ostgalizischen Erdölstadt in Plaszow ein. Während man etwa 1000 arbeitsfähige jüdische „Rüstungsarbeiter“ in einen Zug nach Majdanek verlud, erschossen SIPO und SS im Schlachthof von Boryslaw an die 1000 arbeitsunfähige Juden. Die OD Männer, die die Massengräber zugeschüttet hatten, werden ebenfalls getötet. Die letzten Juden aus Boryslawwerden im Juni 1944 nach Plaszow deportiert. Am Lagertor wird die kleine Schar von Göth und Chilowicz empfangen. Der OD-Mann Chilowicz trägt Reithosen, ein seidenes Hemd, blank gewichste Stiefel, in der Hand hält er eins Peitsche; seine Frau imponiert im eleganten Kostüm. Kaum zu glauben, aber Wilek Chilowicz ist selbst Jude! Wilek und Marysia demonstrieren, wer im Lager das sagen hat.

Inhaltsverzeichnis

„Arbeitserziehungslager“ für polnische Häftlinge

Wachpersonal und Häftlinge des Montelupichgefängnises in Krakau
Wachpersonal und Häftlinge des Montelupichgefängnises in Krakau
Innenhof des Montelupichgefängnises in Krakau, 1941
Innenhof des Montelupichgefängnises in Krakau, 1941

Anfang Juli 1943 lässt Göth einen Teil des Lagergeländes durch einen Stacheldrahtzaun abtrennen und als Arbeitserziehungslager für polnische Häftlinge einrichten. Die Polen, die aus dem Montelupich-Gefängnis und den Krakauer Polizeistationen herangekarrt werden, sind meistens wegen Bagatellvergehen zu kurzen Lagerstrafen verurteilt worden. Aber auch sie werden als Arbeitssklaven ausgebeutet. Um sie von den jüdischen Häftlingen gut unterscheiden zu können, müssen die Polen ab Ende Juli 1943 ein großes rotes P auf der Brust tragen und rote Streifen auf ihren Hosen. Verantwortlich für den Lagerbereich ist SS- Oberscharführer Lorenz Landstorfer. Ab 1944 bringt Göth im Polenlager auch Roma und Sinti unter, die in Plaszow eintreffen.

7 Monate Arbeitslager wegen 5 Minuten Verspätung

Einer der polnischen Häftlinge in Plaszow ist der Fuhrmann Wladyslaw Kopystecki. Am 8 Juli 1943 wird er wegen Nichteinhaltung der Polizeistunde wie 11 weitere Personen verhaftet. Sie alle kommen nach Plaszow, eine Woche später sind es bereits 300 Insassen. Zwei Wochen Erziehungsarbeitslager Plaszow ist die Strafe für Kopystecki, tatsächlich werden es siebeneinhalb Monate. Die SS braucht einfach Arbeitskräfte. Kopystecki hat die Polizeistunde um genau 5 Minuten überschritten.


Bei lebendigem Leibe ins kochende Wasser geworfen

In der Nähe von Kopysteckis Gruppe kocht eine Jüdin gerade Futter für die Schweine als Göth auftaucht. Die Frau ißt einen der Erdäpfel, die sie gekocht hat. Göth zögert nicht lange und schießt ihr ihn den Kopf, daraufhin ruft er zwei Juden zu sich und befiehlt diesen, die Frau in einen zweiten Kessel mit kochendem Wasser zu werfen. Die Männer zögern nicht und bringen die Frau, die noch am Leben war, zu dem kochenden Kessel. Die Frau zappelt und schlägt um sich, hat wahnsinnige Schmerzen. Das Wasser schwappt über, da befiehlt Göth, einen Deckel auf den Kessel zu geben. Einer der beiden Männer verliert die Nerven und versucht zu den Baderäumen zu laufen, wird dabei aber von Göth erschossen.[1]

Behandlung der Polen

Unter den Polen, die am 10 Juli 1943 von den Deutschen in Krakau aufgegriffen werden, ist auch der 53-Jährige Baumeister Jozef Nieckarski. Die Verhafteten werden in Lastwagen nach Plaszow abtransportiert und ins Polenlager eingewiesen, wo sich etwa 160 Insassen befinden. In etwas zwei Wochen ist die Zahl der Häftlinge auf über 500 gestiegen. Der Mannschaft des Polenlagers wird der Bau des Kartoffelkellers zugewiesen. Fertigstellung soll der 1 September sein, andernfalls werden alle Häftlinge erschossen. Die Häftlinge unternehmen alle Anstrengungen, um den Termin zu halten, doch die Lebensbedingungen der Arbeiter waren kritisch, es gab kaum zu Essen und zu trinken. Ihre Behandlung ist miserabel. Vier Wachmänner tauchen einige Male auf und toben sich mit blindwütigen Peitschenhieben aus, niemand weiß, wofür und wozu. Weil die Küche zusätzlichen Kaffee an Nieckarski ausschenkt, wird die Jüdin, die in der Küche arbeitet, von Göth erschossen.

Göth wirtschaftet in die eigene Tasche

Villa Göths im Lager
Villa Göths im Lager
Steinbruch im KZ Plaszow
Steinbruch im KZ Plaszow

Ein polnisches Tischlerkommando kann den von Göth vorgegebenen Termin nicht halten, deshalb behält er deren Lohn ein und lässt die ganze Truppe verhaften und im Lager einsperren. Göth denkt aber auch weit voraus. Er befiehlt, von seinem Keller in der Villa aus einen Tunnel bis zum Steinbruch zu graben. Er will sich einen Fluchtweg für alle Fälle offen halten.

Inspektion Krügers im Lager

Zu einer Bewährungsprobe für Göth im Juli 1943 wird eine Inspektion durch General Friedrich-Wilhelm Krüger, den Höheren SS und Polizeiführer Ost. Wie Mietek Pemper berichtet, lässt Göth die Häftlinge davor Tag und Nacht arbeiten, um alles blitzsauber zu bekommen. Krüger, der in Begleitung einer Schar von SS-Leuten durch das Lager paradiert, bekommt ein Lager ohne Häftlinge zu sehen. Sie müssen sich in den Baracken versteckt halten.

Beförderung Göths

 Göth reitet in Uniform durch das Lager
Göth reitet in Uniform durch das Lager

Krüger ist von Göths Leistung beeindruckt und stellt am 23. Juli in Abstimmung mit Generalleutnant Maximilian von Herff vom SS-Personalhauptamt den Antrag auf Beförderung Göths zum SS-Hauptsturmführer, eine Auszeichnung, die natürlich auch von seinem Kumpel Julian Scherner befürwortet wird. Das Gutachten betont, dass Göth „aus nichts“ etwas geschaffen habe, ohne Rücksicht auf die eigene Person. So geht es für Göth die Karriereleiter [2] gleich 2 Stufen nach oben: Göth wird am 28. Juli 1943 zum Hauptsturmführer der Fachgruppe „SS- und Polizeiwesen“ beim Höheren SS- und Polizeiführer Ost befördert, er überspringt den Rang des SS- Obersturmführers. Für diese Unterstützung weiß sich Göth bei Scherner zu revanchieren: Er lässt für diesen durch das Arbeitskommando des Lagers 2 Häuser bauen, eines in Krakau, eines in Zakopane.

Die "Säuberungskolonne"

Jüdische Frauen am Bahnhof Plaszow auf dem Weg ins Vernichtungslager; Quelle: Skotnicki, Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews, 2008
Jüdische Frauen am Bahnhof Plaszow auf dem Weg ins Vernichtungslager; Quelle: Skotnicki, Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews, 2008

Als Mitglied des Bautrupps in Zakopane ist der 35-jährige Kaufmann Julian Statter , der 1943 aus dem kleinen Zwangsarbeiterlager bei Rosenbaums berüchtigter „ Schule der Sicherheitspolizei und SD“ in Rabka zur Arbeit in der Säuberungskolonne des Krakauer Ghettos überstellt worden. Statter hat seine Frau Roza und seine kleine Tochter Anita , seine Mutter Regina, seine Schwester Helena und seinen Bruder Ludwik durch Nazi-Mörder verloren ;er selbst entgeht nach der „ Liquidierung“ des Ghettos und seiner Ankunft in Plaszow einige Male nur knapp dem Tod: So lässt Göth die Säuberungskolone zum Appellplatz antreten und selektiert selbst die Männer aus , die zum Erschießen bestimmt sind, unter ihnen Julian Statter. Er schickt sie zum Ausladen von Roten Rüben zum Güterbahnhof von Plaszow. Als sie von dort zurückkommen, sind ihre Kameraden bereits tot.

Auspeitschen ohne Grund

Ruth Irene Kalder, die Geliebe von Göth
Ruth Irene Kalder, die Geliebe von Göth

Das zweite Mal entkommt Statter dem Tod nur knapp: im Juli 1943 lässt Göth am Appellplatz des Barackenbau-Kommando antreten. Er wählt einige Häftlinge ohne ersichtlichen Grund aus – „Auspeitschen“ lautet sein Befehl. Tische werden gebracht, die Häftlinge müssen die Hosen runterlassen: 2 Arbeiter übernehmen die blutige Arbeit. Es muss laut mitgezählt werden, wenn sich jemand irrt wird von neuem begonnen. Die bewusstlosen Opfer lehnt man gegen die Barackenwand, sie sollen auf den Schwanzhügel erschossen werden. Doch da taucht Ruth Irene Kalder am Appellplatz auf und nimmt Göth mit – die Rettung für Statter und seiner Kameraden. Chilowicz veranlasst die ukrainischen Wachen zum Wegschauen, so können sie „ nach Hause“ in die Baracken flüchten. Die Männer konnten sich vor Schmerzen kaum bewegen….

Auf Inspektion im Julag 3

Amon Göth hat sich im Julag 3 zur Inspektion angemeldet. Alle auf dem Platz wissen: Wer Göth in die Hände fällt, kann mit seinem Leben abschließen. Ein SS-Offizier aus Göths Begleitung flüsterte Lagerleiter Franz Josef Müller etwas zu, dieser nimmt Haltung an und brüllt: „ Häftling Nummer 36045 vortreten!“ Der Jude Herschel, der gerade noch 30 Kilo wiegt, tritt vor die Reihe, es wird ihm befohlen, zu seiner Baracke zu laufen. Er erreicht die Baracke, in der Göth mit seinen Killern auf ihn wartet. Er hat ein kleines Buch in den Händen. Das Buch ist ein jüdischer Kalender, mit einem Bild von Theodor Herzl. Göth fragt den Häftling, ob er etwa auch an die Auferstehung eines jüdischen Staats glaube. Herschel bejaht die Frage „im Vorgefühl des unvermeidlichen Todes, mit der Kraft der Verzweiflung und in der Überzeugung, dass er nichts mehr zu verlieren hat.“2 Daraufhin wird auf ihn eingeschlagen bis er „zu Boden sackt, dann treten sie mit Schuhen und Stiefeln weiter auf das blutige Bündel Mensch zu ihren Füssen ein, bis er das Bewusstsein verliert“.[3] Als er wieder aufwacht, ist Göth verschwunden. Er versucht mit letzter Kraft in die Baracke und zu seiner Pritsche zu kriechen – beim Morgenappell steht er wieder in Reih und Glied mit seinen Kameraden. 1978 wird Herschel zum Botschafter Israels in Neuseeland ernannt.

„Feuer frei“ auf flüchtende Juden

SS-Oberscharführer Franz-Joseph Müller möchte sich vor Gericht als „ Freund des israelischen Volkes“ profilieren und Göth die Schuld an den Morden zuschieben. In der Nähe des Satellitenlanger Julag 3 in Biezanow hat die Firma Kluck drei Baracken errichtet, in der illegale jüdische Arbeitskräfte untergebracht sind .In einem der Gebäude bricht ein Feuer aus. Als Göth mit Julian Scherner und Franz Joseph Müller bei der brennenden Baracke eintreffen, brennt alles lichterloh. Den hier versteckten jüdischen Frauen und Männern bleibt nur die Flucht. Göth und seine Männer eröffnen das Feuer auf sie; die Wachmannschaft Müllers nimmt 37 Frauen gefangen. Göth gibt Müller den Befehl, diese Frauen zu töten Franz Joseph Müller tötete mit eigener Hand 14 Frauen, die übrigen 21 werden von den Wachen getötet.

Die Exekution von Haubenstock & Krautwirth

1943 hat Göth ein neues Schauspiel angesetzt. Alle Gefangenen müssen vollzählig auf dem Appellplatz antreten, niemand soll sich seiner Inszenierung entziehen. Der 16-jährige Jude Haubenstock und der Ingenieurs Krautwirth sollen in Anwesenheit des SSPF Julian Scherner hingerichtet werden. Der Junge wird beschuldigt, Unruhe unter den ukrainischen Wachen gestiftet zu haben. Er soll ein bekanntes russisches Lied angestimmt haben. Krautwirth, der in der Flugzeugteilefabrik (NKF) beschäftigt ist, wird vorgeworfen, eine Liste ungenau erstellt zu haben. Bei der Exekution Haubenstocks kommt es zu einer „ Panne“: Zweimal reißt der Strick um den Hals des Jungen, der Kommandant aber zeigt keine Gnade. Inzwischen hat es Krautwirth geschafft, sich die Pulsadern aufzuschneiden, dennoch will ihn Göth hängen lassen. Auch bei ihm versagt der Henker – auch er kann nicht sterben. Jetzt verliert Göth die Geduld und schießt den beiden Opfern in den Kopf.

Mord am Barackenältesten

Werkstatt von Madritsch
Werkstatt von Madritsch

Kiwa Eisen, ein 61-Jähriger Kaufmann, ist bei Julius Madritsch tätig und seit Februar 1943 im Lager. Als er zurück zur Baracke kommt, ist diese von Ukrainern umstellt. Da taucht Göth mit einigen SS-Männern auf Revision! Jeder Insasse muss Geld und Wertsachen abgeben, Göth will sich wieder mal bereichern. Die Ukrainer durchsuchen die Pritschen und das Innere der Baracke und finden im Ofen einige Zlotymünzen. Göth nützt den Vorfall zu einer Demonstration über Leben und Tod: Er befiehlt dem Barackenältesten in Erfahrung zu bringen, wer das Geld im Ofen versteckt habe. Niemand meldet sich – jetzt muss der Barackenältesten für seine Leute gerade stehen und Göth will ihn anfangs mit 25 Peitschenhieben bestrafen.

Doch dann, die SS-Männer sind eben dabei ihr Opfer auf den Bock zu legen, hält er derartige Milde nicht mehr für angebracht. Er zieht seinen Revolver, führt den Barackenältesten hinaus vor die Tür. Kein verzweifeltes Flehen, keine Bitte um Gnade, kein Weinen kann seinen Entschluss jetzt ändern. Göth erschießt den Mann vor der Baracke, dann geht er wieder hinein, schlägt jedem der in Reih und Glied angetretenen Häftlinge zweimal ins Gesicht.“[4]

Flucht von 16 Wachleuten und Juden aus dem Lager: gnadenlose Vergeltung

Am 18 August 1943 kommt es zu größten Fluchtaktion in der Geschichte Plaszow: 16 ukrainische Wachleute und angeblich zahlreiche jüdische Insassen fliehen mit zwei Lastkraftwagen, auch Waffen und Munition sollen sich im Besitz der Flüchtlinge befinden. Als Sühne werden daraufhin von der SS und den Trawnikis 200 Häftlinge erschossen, die Leichen der Ermordeten werden auf drei LKWs geladen und aus dem Lager gebracht.[5]

Einzelnachweise

  1. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 219f
  2. J. Sachslehner, a.a.O., S. 225
  3. ebenda, S. 226
  4. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 228f
  5. nach Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 229
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