Kapitel 17 - Mietek Pempers rettende Idee

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Mietek Pemper
Mietek Pemper

Alle Berichte der Leiter der Werkstätten und Betriebe, die in der Kommandantur abgegeben abzuliefern sind, werden von Mietek Pemper aufmerksam studiert. Ihm ist es sogar möglich, den Völkischen Beobachter, die Krakauer Zeitung und die NS-Zeitschrift „Das Reich“ zu lesen. Zudem ist er über die Ereignisse an der Ostfront bestens informiert. Er weiß, dass die Sowjets nach Stalingrad zur Gegenoffensive übergegangen sind.

„„Herr Direktor Schindler, mit Emailtöpfen allein kann man keinen Krieg gewinnen. Es wäre schön, wenn Sie in Ihrer Fabrik eine richtige Rüstungsabteilung hätten, damit Ihre Leute sicher sind.“ „Hätte Schindler damals nicht mit der Produktion der Granatenteile begonnen, dann gäbe es das ganze Phänomen und die Rettungsaktion von „Schindlers Liste“ nicht. Denn Emailwaren galten zwar als ‚kriegswichtig’, aber nicht als ‚siegentscheidend’“

Mietek Pemper, Der Rettende Weg. Schindlers Liste – die wahre Geschichte; Hamburg 2005; S. 120

Inhaltsverzeichnis

Betriebe mit kriegswichtiger bzw. siegentscheidender Produktion

Grundriss von Oskar Schindlers Emailwarenfabrik
Grundriss von Oskar Schindlers Emailwarenfabrik
Aufstellung der Verluste von Oskar Schindler in der Emailwarenfabrik, Gesamtverlust: 5 256 400 DM
Aufstellung der Verluste von Oskar Schindler in der Emailwarenfabrik, Gesamtverlust: 5 256 400 DM

Diese hat Auswirkungen auf die jüdischen Arbeitslager im Raum Lublin-Warschau. Diejenigen Lager, die keine „kriegswichtigen“, bzw. „siegentscheidenden“ Güter für den Bedarf an der Front produzieren, sind bereits liquidiert worden, ihre jüdischen Arbeiter erschossen oder in Vernichtungslager deportiert. Mietek Pemper will den Lagerinsassen von Plaszow ein ähnliches Schicksal ersparen. Er macht Oskar Schindler klar, dass er eine spezifische Rüstungsproduktion in seiner Firma aufbauen müsse: „Herr Direktor Schindler, mit Emailtöpfen allein kann man keinen Krieg gewinnen. Es wäre schön, wenn Sie in Ihrer Fabrik eine richtige Rüstungsabteilung hätten, damit Ihre Leute sicher sind.“[1] Schindler folgt seinem Rat und beginnt unter der Tarnbezeichnung „MU“ mit der Herstellung von Granatenteilen.[2] Als ein Jahr später, im Sommer 1944 die Verlagerung wichtiger Betriebe ins Reichsgebiet zur Diskussionstand, entschied das SS-WVHA, dass nur der Teil von Schindlers Fabrik ins Sudetenland verlegt werden sollte, der die Granatenteile herstellte. „Hätte Schindler damals nicht mit der Produktion der Granatenteile begonnen, dann gäbe es das ganze Phänomen und die Rettungsaktion von „Schindlers Liste“ nicht. Denn Emailwaren galten zwar als ‚kriegswichtig’, aber nicht als ‚siegentscheidend’.“[3]

Interessenskoinzidenz Göths mit den Häftlingen

Izaak Stern und Oskar Schindler, Paris, 1949
Izaak Stern und Oskar Schindler, Paris, 1949
Brief Izak Sterns An Oskar Schindler
Brief Izak Sterns An Oskar Schindler

In einem Gespräch mit Izak und Nathan Stern deutet Pemper die Notwendigkeit an, das Arbeitslager in ein Konzentrationslager überzuführen: „Ich glaube .... der einzige Weg wäre, in irgendeiner Form an ein KL angeschlossen zu werden. Denn die Konzentrationslager werden mit Sicherheit bis zum Ende des Krieges bestehen bleiben.“[4]

Pemper war sich sicher, dass auch Göth ein vitales Interesse daran haben musste, das Lager beizubehalten. Zum einen litt er an Diabetes und wollte keinesfalls an die Front, zum anderen hätte die Schließung des Lagers die Aufgabe aller Privilegien bedeutet, den Verzicht auf Luxus und Schwelgerei. Pemper bat daher die technischen Leiter der Werkstätten, ihm „mehrere Beispiele für Produkte zu nennen, die ihre Maschinen bei entsprechender Bestückung und Einrichtung herstellen könnten“.[5] Die Betriebsleiter sollten nicht nur die Namen der jeweiligen Produkte nennen, sondern auch Angaben über Materialarten, Formate und Ausstattungsvarianten liefern. „Durch eine derartige Informationsfülle und Detailgenauigkeit wollte ich Aufmerksamkeit erregen und beeindrucken. Das gelang mir letztlich auch.“[6]

„Zahlenwust im Querformat“ rettet Tausenden das Leben

Mietek Pemper mit Hut
Mietek Pemper mit Hut
Göth mit Gewehr vo seiner Villa
Göth mit Gewehr vo seiner Villa

Jede Zeile begann mit dem Namen des jeweiligen Produkts und der monatlich herzustellenden Stückzahl und endete mit der Abkürzung „od.“, ein Hinweis, der bei ungenauer Lektüre leicht überflogen werden konnte. Pemper konfrontierte dann Göth mit den Tabellen, der anfangs ungehalten reagierte, so große Mengen könne man doch nicht produzieren. Erst als ihn Pemper darauf hinwies, dass mit der Abkürzung „od.“ Alternativen gemeint seien, begriff er:

Göth saß ein paar Sekunden still da und sagte nichts, doch er schaute mich forschend an. Die Zeit schien stillzustehen. Plötzlich schoss mir ein beängstigender Gedanke durch den Kopf: Jetzt zieht er entweder die Pistole, weil er meint, du willst ihn mit einer Fleißarbeit für dumm verkaufen, oder er denkt sich, der Pemper weiß etwas, das er eigentlich nicht wissen kann, nämlich dass diese Tabellen genau das sind, was ich brauche ....... er erkannte sofort den Wert dieser Tabellen für sich und das Lager. Hier war ein Plan, der es ihm ermöglichte, ‚Kommandeur’ zu bleiben – und nur daran war ihm gelegen........ Sollte Göth meine geschönten Produktionstabellen bei seinen Vorgesetzten vorlegen, würden sie genauso reagieren wie er: Sie würden von dem Zahlenwust im Querformat beeindruckt sein, und kaum jemand würde unnötige Fragen stellen oder das kleine ‚od.’ entdecken.[7]

Krakau-Plaszow wird zum KZ und besteht weiter

Portrait von Oswald Pohl
Portrait von Oswald Pohl
Bild von Odilo Globocnik
Bild von Odilo Globocnik
Gerhard Maurer bei seiner Vernehmung (Rechts)
Gerhard Maurer bei seiner Vernehmung (Rechts)

Tatsächlich gelangen die Produktionstabellen ins Wirtschafverwaltungshauptamt zu SS-General Oswald Pohl. Am 7.September 1943 wird über die Schließung bzw. Fortführung der Arbeitslager im Generalgouvernement verhandelt, anwesend sind neben Pohl auch Göths ehemaliger Chef in Lublin, SS-Gruppenführer Odilo Globocnik, des weiteren SS-Brigadeführer Richard Glücks, der Inspektor der KZs, und dessen Stellvertreter Gerhard Maurer sowie weitere SS-Führer. Man stimmt darin überein, dass die Lager mit „kriegswichtiger und siegentscheidender Fertigung“ von der Amtsgruppe D des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes als Konzentrationslager übernommen werden. Neben Trawniki sind das Poniatowa, Radom, Budzyn, die „Deutschen Ausrüstungswerke“ in Lublin und das Lager in Lemberg auch das Lager Krakau-Plaszow. Für 20 000 Häftlinge bedeutet das eine neue Chance, eine Chance zum Überleben.

Die Lager, vor allem kleinere, ohnen ‚siegentscheidende Produktion’, wurden liquidiert. Für die Häftlinge bedeutete das den sicheren Tod, denn es gab ja noch Vernichtungslager, zum Beispiel Sobibor, das bis zum Oktober 1943 existierte, oder Auschwitz, wo bis zum November 1944 Menschen ermordet wurden...... Ohne die fingierten Produktionslisten vom Spätsommer 1943 hätte jedem von uns der Tod gedroht, auch wäre es wohl nicht mehr zu der Rettungsaktion von Oskar Schindler im Oktober 1944 gekommen.“[8] Es ist eindeutig das Verdienst Mietek Pempers, dass das Lager Plaszow zum Konzentrationslager „hochgestuft“ wurde. Durch seine mutige und intelligente Tat hat er das Leben von Tausenden von Häftlingen gerettet. Das offizielle Schreiben Oswald Pohls, in dem er die Übernahme Plaszows in ein KZ anordnet, datiert vom 22. Oktober 1943 und verursacht bei Göth beste Stimmung.

Blutiges Exempel statuiert

Kommandaturzentrale des KZ Plaszow
Kommandaturzentrale des KZ Plaszow
Bild vom KZ Plaszow
Bild vom KZ Plaszow

An diesem Tag kommt sein alter Kumpel Pepi Neuschel, der zum Leiter der Lagerbetriebe und Werkstätten ernannt worden war, in Plaszow an. Um ihm seine Machtfülle zu demonstrieren, ordnet Göth eine Inspektion in den Verwaltungsbüros ab. Eine defekte Pistole wird gefunden, die jemand ordnungsgemäß zur Reparatur gegeben hat. Dennoch ist das Grund genug für Göth, ein blutiges Exempel zu statuieren. Er lässt 15 Häftlinge aus den betreffenden Büros antreten, 10 davon werden zum Erschießen ausgewählt. Pemper gelingt es, durch Intervention bei Göth eine Frau zu retten, die anderen 9 werden auf dem Schwanzhügel ermordet. Die Frau, die Pemper gerettet hat, überlebt den Krieg und stirbt 2004 in Israel.

Einzelnachweise

  1. Mietek Pemper, Der Rettende Weg. Schindlers Liste – die wahre Geschichte; Hamburg 2005; S. 120
  2. Mietek Pemper, Der Rettende Weg. Schindlers Liste – die wahre Geschichte; Hamburg 2005; S. 120
  3. ebenda, S. 120f
  4. Mietek Pemper, a.a.O., S. 121
  5. Mietek Pemper, a.a.O., S. 122f
  6. Mietek Pemper, a.a.O., S. 123
  7. ebenda, S. 124
  8. Mietek Pemper, a.a.O., S. 125
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