Kapitel 7 - Göths Regiment in Plaszow

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Kommandanturzentrale Plaszows und Lagerhauptstrasse
Kommandanturzentrale Plaszows und Lagerhauptstrasse

Inhaltsverzeichnis

Pemper wird Amon Göths Sekretär

Nach seiner Ankunft in Plaszow lässt sich Göth die genannte Villa bauen und wählt Mietek Pemper als Schreibkraft. Er kann nicht nur Stenographie, sondern spricht und schreibt perfekt Deutsch und Polnisch. Daher überträgt Göth Pemper fast alle Verwaltungsarbeiten:

„Seine Wahl wird Göth nicht bereuen. Mit Pemper hat er einen außergewöhnlich fähigen, scharfsinnigen Mann in seinem Büro, der bis zur Schließung aller polnischen Hochschulen 1939 an zwei Krakauer Universitäten gleichzeitig studiert hat: Rechtswissenschaften an der Jagiellonen-Universität, Betriebswirtschaft und Rechnungswesen an der Hochschule für Ökonomie. Pemper, der mit seinen Eltern und mit seinem jüngeren Bruder Stefan im Lager ist, hat im Ghetto bereits für den Judenrat gearbeitet und sich hier als rechte Hand von David Gutter, dem Leiter des Judenrats, bewährt; rasch findet er sich in die neue Aufgabenstellung.“[1]

Pemper gewinnt das Vertrauen Göths

Göth hasst alle Büroarbeit und delegiert gerne Arbeit an Pemper . Dieser erledigt für ihn die gesamte Korrespondenz und erhält dadurch Einblicke in wichtige Zusammenhänge. Pemper muss Göth „jeden Tag, egal zu welcher Stunde, egal wie lange, zur Verfügung stehen“. Später schreibt Pemper sogar die Privatbriefe Göths. Göth lässt ihm nachspionieren, doch Pemper ist klug genug, diese Fallen zu vermeiden. Er erwähnt sogar seinen Eltern gegenüber keine Details seiner Arbeit in der Schreibstube Göths.

Göth fasst schließlich Vertrauen zu ihm, es entwickelt sich ein eigenartiges Verhältnis zwischen den beiden. Göth braucht den jungen Mann für die Verwaltung, dieser fürchtet sich wiederum vor den Gewaltausbrüchen des Kommandeurs, deren Zeuge er immer wieder wird, selbst während eines Diktats in der Kommandanturbaracke: ’Während er spricht, sieht er in den Außenspiegel an seinem Fenster, mit dessen Hilfe er das Gelände vor der Baracke überblicken kann. Plötzlich steht er auf, nimmt eines der Gewehre von der Wand, öffnet rasch das Fenster. Ich höre einige Schüsse, dann nur Schreie. Als hätte nur ein Telephonat das Diktat unterbrochen, kommt Göth zum Schreibtisch zurück und fragt: ’Wo waren wir stehen geblieben?’[2]

„Pemper, sie sind kein Jude! Ein Jude hätte das alles angenommen und danach gegen etwas anderes getauscht“

Amon Göth

Charakterisierung des Al Plaszow durch Mietek Pemper (pdf)

Göths Charakter

Göth kann sogar mitfühlend sein. Als er sieht, dass Pemper noch nach Mitternacht arbeitet, erhöht er spontan die Lebensmittelrationen für ihn. Als Pemper die zusätzliche Ration Brot ablehnt, ist Göth fassungslos: Pemper, sie sind kein Jude! Ein Jude hätte das alles angenommen und danach gegen etwas anderes getauscht.“[3]

In den Briefen an den Vater zeigt er sich durchaus interessiert am Verlagsgeschehen und schlägt verschiedene, seiner Ansicht nach verkaufsträchtige Projekte vor. Er gibt den sich sorgenden Sohn, der sich nach dem Heuschnupfen des Vaters erkundigt, aber nie ein Wort über seinen Gewalt-Alltag im Lager verliert. Ähnlich normal verhält er sich in den Briefen an seine Frau Anny, die er nach Strich und Faden betrügt. Er spielt den treuen Gatten und ist stolz auf seinen Sohn. Auf die Nachricht seiner Frau, dass Werner seine Schwester Ingeborg schlage, diktiert er Pemper: „Das Schlagen, das hat der Werner wohl von mir.“[4]

Sicherung des Lagers und Strafen

Stacheldrahtzaun mit dem das KZ Plaszowgesichert ist
Stacheldrahtzaun mit dem das KZ Plaszowgesichert ist

Die Flucht aus dem Lager war fast unmöglich. Das Lager war umzäunt mit zwei Reihen unter Starkstrom stehenden Stacheldrahtzaun und von Wachtürmen umgeben. Wenn es trotzdem jemand schaffte zu fliehen ließ Göth die Lagerinsassen antreten und jeden zehnten Häftling erschießen.

Göth statuiert ein Exempel: Hinrichtung von Flüchtlingen vor den Lagerältesten

Einmal statuiert er ein Exempel der besonderen Art. In der Mitte des Appellplatzes wird ein zwei Meter tiefes Loch in der Größe eines Zimmers gegraben. Die Blockältesten aller Blöcke müssen antreten, 12 Männer und 12 Frauen. Auf der anderen Seite des Loches fährt ein Lieferwagen vor mit den Frauen und Männern, die von einem Außenlager aus die Flucht versucht hatten aber erwischt worden waren. Sie werden von den SS-Männern mit Genickschuss getötet, die Blockältesten müssen Erde über die Leichen schaufeln, dann schließt Göth mit einer kleinen Rede die Vorstellung: “Ich will, dass ihr das seht und den Leuten in eurem Block sagt, was geschieht, wenn sich eine an Sabotage versucht.“[5]

Helfer, Kumpane, Killer

Franz Grün,circa 1939
Franz Grün,circa 1939

Göth versammelt um sich skrupellose Killer, die vor keinem Gewaltakt zurückschrecken. Einer von diesen Leuten ist Franz Grün. Grün tötet Häftlinge aus purer Freude am Morden und hat im Lager einen ähnlichen Ruf wie Göth. Mit Vorliebe versetzte er Häftlinge Tritte in die Genitalien. Er hat auch Vorliebe für seltsame Scherze. Einmal lässt er einen Häftling namens Gross Kasatschok tanzen. Danach erschießt er ihn. Franz Grün vertraut Göth so manche wertvolle Sendung an, die dieser dann der Familie in Wien übergibt.

Auch SS-Obersturmführer Leonhard John, der genauso brutal und gierig ist wie seine Kollegen, gehört zu Göths Killerkommando. Er ist klein, hat dünne Beine und darüber einen gewaltigen Bauch und eine hohe, feminine Stimme. Wie sein Herr hat er den Ehrgeiz, reich zu werden. Vor dem Krieg hatte John eine Gaststätte in Kattowitz. Er war überaus eifrig, wenn es darum ging, Möbel, Teppiche und Wertgegenstände aus den verlassenen jüdischen Wohnungen im Ghetto einzusammeln. Des Nachts streifte er gerne durchs Lager, um Frauen aufzulauern, die ihre Notdurft nicht bei der Latrine verrichteten. Dafür bestrafte er dann die Frauen drakonisch. Natan Bernard, ein 1917 in Breslau geborener Jude wird Zeuge, wie John 6 Juden tötet, die vor Regen und Schnee in einer Garage Zuflucht gesucht haben, an der noch Bauarbeiten ausgeführt werden. Als Alibaba-John merkt, dass die 6 Häftlinge gar nicht zu dem auf der Baustelle tätigen Trupp gehören, treibt er sie ins Freie und erschießt sie bei einem Holzstoß gegenüber.

Aus Thorn kommt SS-Hauptscharführer Edmund Zdrojewski, ein 1915 geborener Mann. Er hat insgeheim Angst vor Göth, verhält sich aber absolut loyal gegenüber seinem Chef und hat keinerlei Hemmungen zu töten. Zdrojewski ist einer der Stützen von Göths Terrorherrschaft, ein erbarmungsloser Killer, der auf Zuruf tötet. Auf Befehl Göths tötet er sogar seine jüdische Geliebte, ein sehr hübsches Mädchen namens Wolf.

Albert Hujar, Sudetendeutscher aus der Nähe von Komotau ist ebenso schießwütig und skrupellos. Seine Leidenschaft ist das Fotografieren. Als Adjutant Göths ist er bei allen offiziellen Auftritten des Kommandeurs an dessen Seite. Bei der Liquidierung des Ghettos erschießt er nicht nur die Kranken in ihren Betten, sondern auch die Ärztin Dr. Blau. Hujar tötet gerne aus Eigeninitiative. Aba Szajniak, ein aus Schlesien stammender Jude beobachtet ihn bei einem Mord in der Nähe des Badehauses. Hujar stößt eine nur mit Unterwäsche bekleidete Frau vor sich her und reißt sie dann zu Boden. Auf allen Vieren vor ihm kriechend, bittet sie in Polnisch und gebrochenem Deutsch um ihr Leben: „O Jesus, ich bin keine Jüdin! Hilfe!“ Hujar kümmert ihr Flehen nicht im Geringsten, eiskalt beugt er sich ein wenig nach vor, setzt den Revolver an und tötet sie mit einem Genickschuss....[6]

SS-Mann Zugsberger
SS-Mann Zugsberger

Einen ähnlichen Ruf als Gewalttäter genießen SS-Hauptscharführer Willy Eckert, ein Sadist SS-Mann Willi Stäubl. Der Wiener SS-Mann Alois Zugsberger hat nur noch eine linke Hand, mit der er die Peitsche schwingt. Die rechte Hand ist eine Gummihand, die er zum Schlagen der Häftlinge benutzt. Ihm zur Seite steht mit dem jungen Karl-Heinz Rieschek ein gewalttätiger Psychopath, der es vor allem auf Geld und Schmuck seiner Opfer abgesehen hat. Je nach Lust und Laune schlägt er Häftlinge mit der Hand ins Gesicht.

Göths Chauffeur Iwan ist ein kleiner untersetzter Ukrainer, ca. 30 Jahre alt und von bäuerlichem Aussehen, der stets die schwarze Uniform trägt und auch eine Waffe bei sich trägt. Iwan zögert nicht zu töten, wenn es sein Chef ihm befiehlt. Göth wird auch häufig von dem lettischen SS-Mann Arvid Janetz begleitet, einem schlanken, großgewachsenen Mann mit „sympathischem Gesicht“, wie Lena Horowitz bezeugt. Da Mietek Pemper bis Ende 1943 Zugang zu den Personalakten der SS-Leute hatte, konnte er diesen anhand des hohen Munitionsverbrauches als besonders „einsatzfreudigen“ Killer identifizieren.

Zum „Haftstättenpersonal“ zählen Männer wie Karl-Heinz Bigell, der Leiter der Verkaufs- und Einkaufsstelle in Plaszow, ein „kaltblütiger und uneinsichtiger Mörder“, wie Mietek Pemper bezeugte. Bigell, der nur in Zivil erscheint, ist nur „nebenamtlich“ in Plaszow, er ist Generalgouvernement-Referent von General Hans Oberlindober, den NS-Reichskriegsopferführer. Als Mutprobe, um Göth zu imponieren, ruft er eines Nachts die Familie von David Gutter zu sich und erschießt sie auf der Lagerstraße, darunter die beiden Kinder der Gutters. Als Oskar Schindler ihn 1946 im Hauptbahnhof in Frankfurt trifft und ihn danach fragt, ob er eigentlich noch schlafen könne, antwortete ihm Bigell: „Es sind eben 4 Juden weniger.“[7]

OD-Männer und Kapos

An der Spitze des jüdischen Ordnungsdienstes im Lager stehen das jüdische Ehepaar Wilek und Maria Chilowicz. Sie arbeiten für Göth und unterrichten diesen über alle Vorkommnisse innerhalb der Häftlingsgemeinde. Das Ehepaar nützt diese Situation, um andere Häftlinge zu unterdrücken. Wilek ist eine Kreatur Göths und hofft, auf der Seite der Gewinner zu stehen. Anderseits hat er auch vielen Juden geholfen, wenn Göth nicht in der Nähe war oder aber er missachtete einen Befehl einfach. Seine Frau Maria Chilowicz unterhielt beste Beziehungen zu einigen SS-Offizieren, den Gerüchten nach war sie nur Halb- oder Vierteljüdin, ihre Kontakte waren nicht nur dienstlicher Natur.

Göths „Haussklaven“

Ruth Irene Kalder, die Geliebte von Göth
Ruth Irene Kalder, die Geliebte von Göth

Um sich herum sammelte Göth eine kleine Palasttruppe von rechtlosen jüdischen Sklaven, deren Leben jeden Augenblick verwirkt sein konnte. Göth wählte Helen "Susanne" Sternlichtzu seinem Dienstmädchen. Sie muss sich um das Haus kümmern, um seine Doggen und Göths Hemden bügeln. Sie haust zusammen mit Helena „Lena“ Hirsch in einem Zimmer neben der Küche. Immer wieder beschimpft er die beiden mit Worten wie „Hure, Schlampe, dreckige Jüdin“. Er schlägt häufig zu, manchmal auch grundlos, wobei er nicht nur die Wange, sondern den ganzen Kopf traf. Susanne bleibt der „sehr zufriedene“ Gesichtszug Göths, wenn er sie misshandelt, nicht verborgen. Als Helen Sternlicht von Ruth Kalder, der Geliebten Göths gelobt wird, widerstrebt das Göth: “Selbst wenn sie mal was richtig macht. Selbst wenn sie ganz nett ist, bleibt sie doch eine Jüdin, und ich habe sie zu verabscheuen[8]

„Selbst wenn sie mal was richtig macht. Selbst wenn sie ganz nett ist, bleibt sie doch eine Jüdin, und ich habe sie zu verabscheuen“

Amon Göth

Einzelnachweise

  1. J. Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 101
  2. J. Sachslehner, a.a.O; Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, Zitat im Zitat, S. 71
  3. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 72
  4. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 86
  5. zitiert nach J. Sachslehner, a.a.O., S. 107
  6. so J. Sachslehner, a.a.O., S. 112
  7. zitiert nach Mietek Pemper, a.a. O., S. 81
  8. J. Sachslehner, a.a.O., S. 116
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