Kapitel 3: Schindler in Krakau

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Oscar Schindler mit 21 Jahren
Oscar Schindler mit 21 Jahren

„Niemand außer Schindler zeigte Interesse an unserem Schicksal. Sein Mut gab mir das Vertrauen in die Menschheit zurück. Wenn ich ihn im Lager traf, wusste ich, es gibt eine andere Welt für die es sich lohnt zu leben.“

Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Schindlers Liste, Die Wahre Geschichte, Hamburg 2005, S.102

„Weit entfernt bin ich davon, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten“

David Crowe, Oskar Schindler, Die Biographie, Berlin 2005, S158

Inhaltsverzeichnis

Schindlers Helfer und wirtschaftliche Aktivitäten

Erste Freundschaften: „Leopold Pfefferberg – Page“

Oskar Schindler, Martin Gosh und Leopold Page in Paris, 1963
Oskar Schindler, Martin Gosh und Leopold Page in Paris, 1963
Jagiellonen-Universität
Jagiellonen-Universität

Im November 1939 traf Pfefferberg in der Wohnung seiner Mutter erstmals auf Oskar Schindler. Schindler sprach nur gebrochen polnisch und so wurde Poldek Pfefferberg sein Dolmetscher. Leopold Pfefferberg wurde am 20. März 1913 in Krakau geboren und starb im Frühjahr 2001, nach seiner Auswanderung in die USA nannte er sich Page. Pfefferberg studierte an der Jagiellonen-Universität in Krakau, arbeitete nach dem Studium als Lehrer an einem jüdischen Gymnasium, danach war er Leutnant in der polnischen Armee. Er wurde in der Schlacht am San im September 1939 verwundet und befand sich, bis er in deutsche Gefangenschaft kam, im Przemysler Militärkrankenhaus. Durch eine List entkam er dem Transport ins Großdeutsche Reich.

„Besatzung - Rationierung - Enteignung.“

Durch die Rationalisierung der Nahrungsmittel waren viele Juden gezwungen, anderweitig Nahrungsmittel aufzutreiben, z.B. auf dem Schwarzmarkt. Juden bekamen nicht einmal ein Viertel der Nahrungsmittel der anderen Bevölkerungsgruppen. „Zucker, Eier, Mehl, Kartoffeln waren ausschließlich den Nicht-Juden vorbehalten.“[1] Den Juden wurden täglich nur ca. 184 Kalorien zugewiesen und im Gegensatz zu den Polen konnten sie kaum Nahrungsmittel zukaufen. Besonders nach der Errichtung des Ghettos wurde die Situation immer schlechter. Im Zuge ihres Plans zum Massenmord an den Juden ließen die Deutschen sie einfach verhungern. Pfefferberg sollte Schindler mit Konsumgütern vom Schwarzmarkt versorgen. Dies war der Beginn einer engen Freundschaft zwischen Schindler und Pfefferberg. Die beiden hatten viel gemeinsam, so waren beide Individualisten, unabhängig, selbstsicher, willensstark und unerschrocken.

Schindlers Helfer Izak Stern und Mietek Pemper

Izaak Stern
Izaak Stern
Steven Spielberg (sitzend) mit den Darstellern links: Ralph Fiennes (Amon Göth) mitte/hinten: Ben Kingsley (Izaak Stern) rechts: Liam Neeson (Schindler)
Steven Spielberg (sitzend) mit den Darstellern links: Ralph Fiennes (Amon Göth) mitte/hinten: Ben Kingsley (Izaak Stern) rechts: Liam Neeson (Schindler)

Izak Stern arbeitete als Büroleiter in dem jüdischen Textilbetrieb J.C. Buchheister, wo Josef Aue Treuhänder war. Oskar Schindler erwog gerade die Übernahme die Firma Rekord GmbH, als er Itzak Stern kennen lernte, der ihn über das Unternehmen Rekord informierte und ihm zum Kauf über ein Gericht riet anstatt über die Treuhandstelle. Schindler war beeindruckt von Stern und dessen betriebswirtschaftlichem und kaufmännischem Wissen. Izak Stern arbeitete nie in Schindlers Fabrik, war auch nie Bewohner des Judenlagers bei der Schindlerfabrik. In Plaszow leitete Stern das Büro für Werkstattabrechnungen. Zu Göth hatte Stern so gut wie keinen Kontakt.[2] In Stephen Spielbergs Film machte der Drehbuchautor Steven Zaillian Stern zum jüdischen alter ego von Schindler. Aus dramaturgischen Gründen verschmolz er die Personen Itzhak Stern und Mietek Pemper zu einer Person. Oskar Schindler lernt Mietek Pemper erst kennen, als dieser zum Sekretär Göths avancierte, frühestens Ende März 1943. [3] Die Kooperation der beiden führte zur Rettung von 1100 Juden. „Wenn Göth zu Inspektionen in Außenlagern unterwegs war, ...... trafen (wir) uns im Hauptlager, auf den Fluren der Lagerverwaltung, niemals jedoch in Göths Vorzimmer. ....Schindler wollte dann von mir wissen, was im Lager passierte, wie er seine Arbeiter schützen könne oder ob für sie irgendwo eine neue Gefahr drohte. Er interessierte sich auch für die Lage der jüdischen Arbeiter in den anderen Außenlagern....... Niemand sonst machte sich um seine Arbeiter Sorgen. Niemand außer ihm hat mich je gefragt: ‚Was kann ich tun, um meine jüdischen Arbeiter zu retten?’. ....Mit seiner Hilfe, dachte ich, müsste man versuchen, unsere Rettung zu organisieren. Niemand außer Schindler zeigte Interesse an unserem Schicksal. Sein Mut gab mir das Vertrauen in die Menschheit zurück. Wenn ich ihn im Lager traf, wusste ich, es gibt eine andere Welt, für die es sich lohnt zu leben.[4]

Emailletöpfe aus Oskar Schindlers Fabrik
Emailletöpfe aus Oskar Schindlers Fabrik
Emailwarenfabrik
Emailwarenfabrik

Wichtiger als Stern[5] war für Schindler Abraham Bankier. Schindlers Freunde spotteten: “Das, woraus sein Reichtum bestand, war ein Jude namens Bankier und zehn emaillierte Topfdeckel.“[6] Er führte die Fabrik, empfing polnische Geschäftsleute und sorgte dafür, „dass die ersten jüdischen Arbeiter in die Fabrik kamen. Er hatte sein eigenes Büro hinter dem von Schindler und er hatte einen Passierschein, mit dem er sich zwischen der Fabrik und den Ghetto frei bewegen konnte...... ohne Bankier hätte es keinen Schindler gegeben.“ Bankier sorgte auch dafür, dass mehr produziert wurde als benötigt und der Überschuss erfolgreich auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde. Aus dem Schwarzmarkt- Handel hatte Schindler auch die enormen finanziellen Mittel, die er zur Beschäftigung von Hunderten von Juden und deren Rettung benötigte. Obwohl Schindler viel für die Schindlerjuden getan hat, blieben die meisten ihm gegenüber bis zum Ende des Krieges misstrauisch, immerhin war er Deutscher.

Oskar Schindlers Selbsteinschätzung

Dr. Ball-Kaduri
Dr. Ball-Kaduri

Oskar Schindler schreibt in einem Brief an Dr. Ball-Kaduri: „Weit entfernt bin ich davon, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten[7] Oskar Schindler gesteht ein, dass er nicht immer vorbildlich gehandelt habe und dies auch bereue. Er gestand Fehler ein und beteuerte, dass er immer versucht habe, das Beste für „seine“ Juden zu tun, soweit sie sich nicht selber helfen konnten.

Oskar Schindler als Fabrikant in Krakau

Briefkopf der Emaille-Fabrik
Briefkopf der Emaille-Fabrik
Schindler als Geschäftsmann
Schindler als Geschäftsmann

1940 führte Schindler drei Unternehmen in Krakau: Die deutsche Emaillefabrik, die Großhandlung von Shlomo Wiener und die Prokosziner Glashütte. Nach dem Krieg sprach Schindler von ca. 1700 bis 1750 Arbeitern, die bei der Emalia beschäftigt gewesen seien, davon waren etwa 1000 Juden. Als die Fabrik nach Brünnlitz verlegt wurde, ließ er 650 polnische Arbeiter zurück, welche die Produktion in der Emalia aufrechterhalten sollten. In der Glashütte gegenüber der Emalia beschäftigte Schindler weitere 350 bis 380 Arbeiter, die meisten von ihnen waren nichtjüdische Polen. Die polnischen Arbeiter wurden mehr oder weniger wie normale Arbeitskräfte behandelt, auch von der SS. In seinem Bericht von 1955 schrieb Schindler: „Da unter meinen jüdischen Arbeitern ein Großteil Krakauer Juden waren, boten die hunderte polnischen Arbeiter eine wertvolle Brücke zur arischen Seite und hielten ihnen den Kontakt mit der Stadt aufrecht.“[8]

Juden als billige Arbeitskräfte

10 Zloty
10 Zloty

Von 1939 bis 1945 stieg die Anzahl der jüdischen Arbeiter bei Schindler kontinuierlich. 1939 waren 7, 1940 bereits 150 Juden, 1941 190 Juden, 1942 550 Juden, 1943 900 Juden, 1944 1000 und letztlich 1945 über 1100 Juden bei ihm beschäftigt.[9] Was waren die Gründe? Anfangs waren es Kostengründe, da Juden viel billiger waren als polnische Arbeitskräfte, sodann Fragen der Effektivität und später schließlich der Versuch Schindlers, Juden zu retten. Für die jüdischen Arbeitskräfte berechnete die SS den Unternehmern 5 Zloty pro Tag, während die polnischen Arbeiter zwischen 8 - 35 Zloty pro Stunde verdienten. Schindler führte zwei Bücher, eines für die legalen, das andere für die Schwarzmarktgeschäfte.

Hohe Effizienz der jüdischen Arbeitskräfte

Arbeitsausweis der Deutschen Emaillewarenfabrik 1942, Ligia Baran
Arbeitsausweis der Deutschen Emaillewarenfabrik 1942, Ligia Baran

Ein Grund für die Anstellung der Juden war, dass sie zuverlässiger und effizienter arbeiteten als Polen. Um die Kriegsproduktion zu steigern wurden immer mehr Fremdarbeiter, vor allem Polen, zur Arbeit in die Fabriken des Reiches deportiert. Das führte zu einem ernsthaften Arbeitskräftemangel in den polnischen Fabriken. Trotz zahlreicher Anreize und Lohnerhöhungen für Polen stiegen die Fehlzeiten der polnischen Arbeitskräfte, 1943 blieben 1/3 der Polen der Arbeit fern, da die Arbeit in der Schattenwirtschaft profitabler war.

Schindlers Profitstreben

Leitende Angestellte, Oskar Schindler 2.v.links und Abraham Bankier 3.v.rechts
Leitende Angestellte, Oskar Schindler 2.v.links und Abraham Bankier 3.v.rechts

Oskar Schindler war nach Krakau gekommen, um auf dem Schwarzmarkt Geld zu machen. Am lukrativsten waren Geschäfte mit der Wehrmacht, die durch die Kontakte zum polnischen Schwarzmarkt über enorme Mengen an tauschbaren Gütern verfügte. In kürzester Zeit konnte man auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen verdienen. Das hat Schindler sehr schnell erkannt. Schindler profitierte von den Beziehungen und der Geschäftstüchtigkeit Abraham Bankiers, der seinerseits Schindlers Profitstreben schürte und ihn veranlasste, immer mehr Juden einzustellen.

Bau eines Nebenlagers

Plaszow
Plaszow

Mit der Zeit aber veranlasste Schindler Göth, den Kommandanten von Plaszow, den Bau eines Nebenlagers mit Baracken und der gesamten Infrastruktur für seine jüdischen Arbeitskräfte zu genehmigen. Dort stellte er auch Unterkünfte für weitere 450 jüdische Arbeitskräfte aus umliegenden deutschen Firmen zur Verfügung und sorgte für deren Gesundheit und angemessene Ernährung.

Einzelnachweise

  1. D.C: S.114
  2. So Mietek Pemper, a.a.O., S.95f. Hingegen behauptet D.Crowe, Stern habe in der Schreibstube Göths gearbeitet, ebenda, S. 114
  3. Mietek Pemper, a.a.O., S. 93f; S. 102ff
  4. Mietek Pemper, S.102-103
  5. Mietek Pemper weist in seinem Buch die Behauptung Sterns zurück, er, Stern habe die Umwandlung des Arbeitslagers Plaszow zum KZ Plaszow zu verantworten. Vgl. das Gutachten Viktoria Hertlings bei Pemper, a.a.O., S. 269-274
  6. zitiert nach David Crowe, S. 127
  7. David Crowe, S.158
  8. Bericht Schindlers an den Joint, abgedruckt bei Erika Rosenberg (Hrsg.): Ich, Oskar Schindler; München 2000, S.83 f.
  9. Bericht Schindlers für den Joint, abgedruckt bei Erika Rosenberg (Hrsg.): Ich, Oskar Schindler, München 2000, S. 83.
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