Errichtung und Liquidierung des Krakauer Ghettos

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Bild:Krakow Ghetto Gate 73170.jpg
Eingang zum Krakauer Ghetto

Inhaltsverzeichnis

Heydrichs Sondererlass

Reinhard Heydrich
Reinhard Heydrich

Am 21.September 1939 befahl Reinhard Heydrich, Chef des SD und des Reichsicherheitshauptamtes (RSHA), mit einem „Sondererlass“ die Leitlinien für die Behandlung der Juden in Polen. Demnach sollten sämtliche Juden in Ghettos in Städten mit Bahnanschluss konzentriert werden.jüdische Gemeinden mit weniger als 500 Mitgliedern wurden aufgelöst und die Bewohner wurden zum nächsten Konzentrationspunkt deportiert. Adolf Hitler genehmigte Heydrichs Plan, alle Juden aus dem Reichsgebiet in die städtischen Ghettos im Generalgouvernement zu schaffen. Damit sei eine bessere Kontrolle und spätere Entfernung möglich. Die im Reichsgebiet lebenden „Zigeuner“ wurden in diese Weisung einbezogen.

„Freiwilliger“ Umzug oder Zwangsumsiedelung

Übersiedlung ins Krakauer Ghetto
Übersiedlung ins Krakauer Ghetto

Die Vertreibung der Juden aus Krakau sollte in zwei Phasen erfolgen. Am 18.Mai 1940 erklärten die deutschen Behörden, dass die Juden in 3 Monaten Krakau verlassen und in eine Stadt ihrer Wahl ziehen sollten, ihre Besitztümer könnten sie mitnehmen. Wer nicht freiwillig die Stadt verlasse, würde zwangsumgesiedelt und dürfe nur noch 25kg Gepäck mitnehmen, der Rest falle an die Treuhandstelle in Krakau. Aus ökonomischen Gründen sollten allerdings ca. 15.000 Juden in der Stadt verbleiben, weil man deren handwerkliche und geschäftliche Fähigkeiten benötigte. Weil trotz dieser Anweisung viele Juden Krakau nicht verließen, führten die Deutschen die Ausweispflicht ein. Die freiwillige Umsiedelungsaktion war gescheitert, sodass Otto Wächter, der SS-Brigadeführer und Krakauer Bezirksgouverneur, am 25.11.1940 einen neuen Erlass herausgab. Nur Juden , deren handwerkliche Fähigkeiten gefragt waren, durften in der Stadt bleiben, sofern sie einen Ausweis bzw. ab Februar 1941 eine Kennkarte vorweisen konnten. Am 3. März verfügte Wächter aus „Gründen der Sicherheit und der Hygiene“ die Errichtung eines Jüdischen Wohnbezirks in Podgorze.

Der Krakauer Ordnungsdienst

Jüdische Polizei im Krakauer Ghetto, 1941
Jüdische Polizei im Krakauer Ghetto, 1941

Der Krakauer Judenrat schuf auf Anordnung der Deutschen am 5. Mai 1940 einen Ordnungsdienst, schon vor der Errichtung des Ghettos. Jeder, der zum OD wollte, musste über militärische Erfahrungen verfügen, eine bestimmte Größe, ein entsprechendes Gewicht und eine unbescholtene Vergangenheit haben und musste von mehreren Personen vorgeschlagen werden. Der Krakauer OD war in zwei Abteilungen gegliedert: in die Zivilabteilung, zu der die Gestapo direkten Kontakt hielt, und in den regulären „uniformierten“ OD, der seine Befehle vom Judenrat erhielt. Außerdem trugen alle Mitglieder des OD am rechten Arm einen Aufnäher mit der hebräischen Aufschrift Ordnungsdienst.

Funktionen des Ordnungsdienstes

Jüdischer Polizist und ein Jude im Ghetto
Jüdischer Polizist und ein Jude im Ghetto

Der Ordnungsdienst (OD) hatte neben der Polizeigewalt und der Funktion von Gefängnisaufsehern auch richterliche Gewalt. Weil der OD bei Verhaftungsaktionen und Aussiedlungen den Nationalsozialisten Unterstützung leistete, wurde er mit der Zeit zum meistverachteten Symbol der NS-Herrschaft im Ghetto. Bestechlichkeit war ein weiteres Charakteristikum des OD.

Die Errichtung des Krakauer Ghettos

Am 6. März 1941 verkündete die Krakauer Zeitung die Errichtung eines Ghettos aus wirtschaftlichen und polizeilichen Erwägungen. Durch diese Maßnahme verschärfte sich die Ausgrenzung der Juden erneut. Für die nichtjüdischen Bewohner des Stadtteils Podgorze bedeutete diese Maßnahme die Räumung ihrer Wohnungen, Geschäfte und Werkstätten. 15 000 Juden sollten in einem Gebiet unterkommen, das zuvor 3000 Menschen als Wohnraum gedient hatte. Der Wohnraum wurde nach Fenstern berechnet. Vier Personen pro Fensterachse. Wenn also ein Zimmer zwei Fenster hatte, wurden bis zu acht Personen in diesem Raum untergebracht. Für Möbel war meist kein Platz mehr.[1] In den 320 Häusern mit 3167 Zimmern sollten bis zum 20. März 1941 16.000 Juden Platz finden. Nach dem 15. September 1941 verschärfte sich die Lage, als nochmals 4.000 Juden aus den Orten in der Umgebung Krakaus übersiedeln mussten - nun lebten 20.000 Menschen zusammengepfercht auf engstem Raum. Die Lage für die Juden verschlechterte sich zusehends: Ab dem 15. September zum Beispiel stand auf das Verlassen des Ghettos ohne entsprechende Erlaubnis die Todesstrafe, ab Dezember wurden die Lebensmittel rationiert: 100 Gramm Brot sowie 200 Gramm Fett und Zucker monatlich. Es begann der Schmuggel mit koscherem Fleisch und anderen Nahrungsmitteln. Aber wer Geld hatte bekam immer noch alles.[2]

Erste Treibjagd auf Menschen

Am 11. Dezember 1941 beginnt die erste Treibjagd auf diejenigen, die keine gültige Aufenthaltserlaubnis hatten. Wer gefasst wurde, wurde in den Wäldern um Kielce erschossen. Am 27. 12. 1941 sollten die Juden unter Androhung der Todesstrafe Pelze, Ski, Skischuhe abliefern, es kam bei den Suchaktionen der SS zu zahlreichen Erschießungen.

Die "Aktion Reinhard": Ermordung der Juden

Aktion Reinhard
Aktion Reinhard

In der am 16. Juli 1941 in der Wolfsschanze im Führerhauptquartier in Ostpreußen stattfindenden Konferenz wurde die Aktion Reinhardt beschlossen. Bereits zwei Tage später erteilte Himmler in Lublin dem SS- und Polizeiführerdes Distrikts, SS-Brigadeführer Odilo Globocnik , und dessen Stabsführer, SS-Sturmbannführer Hermann Höfle den Auftrag, alleJuden im Generalgouvernement zu ermorden. Bei diesem Gespräch war auch der SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, späterer Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes (WVHA) zugegen.[3] Die Maßnahmen gegen die Juden sollten im Vernichtugslager Belzec erfolgen. Belzec lag östlich von Krakau an der Bahnstrecke zwischen Lublinund Lwow (Lemberg). Innerhalb von 8 Monaten wurden dort 600 000 Juden mit Kohlenmonoxyd ermordet.[4]

„Schluss machen mit den Juden“

Hans Frank
Hans Frank

Hans Frank spricht am 16. Dezember 1941 klare Worte:

Mit den Juden – das will ich Ihnen auch ganz offen sagen – muss so oder so Schluss gemacht werden. Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt. Die anderen haben auch kein Mitleid mit uns gehabt. Ich muss auch als alter Nationalsozialist sagen: Wenn die Judensippschaft den Krieg in Europa überleben würde, wir aber unser bestes Blut für die Erhaltung Europas geopfert hätten, dann würde dieser Krieg doch nur einen Teilerfolg darstellen. Ich werde daher den Juden gegenüber grundsätzlich nur von der Erwartung ausgehen, dass sie verschwinden. Sie müssen weg....... Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend wie möglich ist, um das Gesamtgefüge des Reiches hier aufrecht zu erhalten......... Die Juden sind auch für uns außergewöhnliche schädliche Fresser. Die 3,5 Millionen Juden können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber doch Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich zu besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement muss genauso judenfrei werden, wie es das Reich ist.“[5]

Die Planungen zum Mord an den Juden waren offenbar bereits weiter fortgeschritten, denn bereits einen Monat vor der Wannsee-Konferenz stimmte Hans Frank seine Mitarbeiter auf das Blutbad ein, die Schergen waren für die große Aktion eingestimmt.

Erste und zweite Vernichtungsaussiedlung

Odilo Globocnik 1939
Odilo Globocnik 1939
Friedrich-Wilhelm Krüger
Friedrich-Wilhelm Krüger

Am 28. Mai 1941 umstellten Einheiten der SS, der Waffen-SS und der Sicherheitspolizei das Krakauer Ghetto. Alle Juden, die im Ghetto wohnten, sollten sich mit ihren Arbeitsdokumenten und ihrer Kennkarte einfinden. Unter dem Vorwand, als Erntearbeiter in der Ukraine beschäftigt zu werden, schickten die Nazis v. a. Alte, Kranke, Frauen und Kleinkinder nach Belzec. Bis zum 8. Juni "veranstalteten" dieNazis zwei Todeszüge mit 7000 Juden ins Vernichtugslager Belzec. Die SS erschoss in wenigen Tagen noch 600 Personen im Ghetto. Höhepunkt des Massakers war der 4. Juni 1942, der "Blutige Donnerstag", an dem unter anderem der Dichter Mordechai Gebirtig , der Maler Abraham Neumann und Arthur Rosenzweig, der Vorsitzende starb. Im Zuge einer zweiten Deportations- und Vernichtungsaussiedlung[6] wurde die Hälfte aller noch im Ghetto lebenden Juden nach Belzec geschickt.[7] Danach lebten nur noch etwa 12.000 Menschen im Ghetto.[8]

Im Juni 1942 ist klar, dass die SS und nicht der Generalgouverneur für die Judenpoltik verantwortlich zeichnet. Der Höhere SS- und Polizeiführer Friedrich-Wilhelm Krüger lässt keinen Zweifel daran, dass er für den Massenmord an den Juden eintritt. Mitte Juni verhandelt er mit den führenden Verwaltungsbeamten über die Ausdehnung der Massentötung auf das gesamte Generalgouvernement.

„Evakuierung über den Bug“

Mit der "Evakuierung über den Fluss Bug" fand man für das beginnende Massaker auch ein erstes passendes sprachliches Wort. Für die Evakuierung war nicht länger die Zivilverwaltung, sondern die SS und damit Odilo Globocnik zuständig. Von Heinrich Himmler hatte Globocnik auch bereits die Zustimmung zum Bau der Gaskammern in Belzec erhalten.

Errichtung von Belzec, Sobibor und Treblinka

Bild:Wikipedia-sobibor-3.jpg
Gedenkschriften am Lagereingang von Sobibor

Zwischen November 1941 und Juli 1942 errichtete die SS nach den beiden Vernichtungslagern in Auschwitz[9] die drei Vernichtungslager, Belzec, Sobibór und Treblinka ein, die eigens für die Aktion Reinhard errichtet worden waren.[10] Ende Februar 1942 wurden in Belzec in den folgenden zehn Monaten 550.000 bis 600.000 Juden ermordet, anfangs mit Kohlenmonoxyd aus Kanistern, dann lief ein Dieselmotor, der die Abgase in die Todeskammern leitete. Sobibór wurde im Frühjahr 1942 nördlich von Lublin errichtet. Innerhalb von 14 Monaten wurden dort von der SS etwa 200.000 Juden ermordet. Im Sommer 1943 wurde Sobibór in ein Konzentrationslager umgebaut, doch am 14. Oktober 1943 wurde es ganz geschlossen. Das dritte Vernichtungslager Treblinka nordöstlich von Warschau wurde im Sommer 1942 in Betrieb genommen. Dort starben etwa 763.000 Juden und 100.000 Nicht-Juden.[11]

Verkleinerung des Ghettos, weitere Deportationen

Am 20. Juni und 1. November 1942 wurde das Krakauer Ghetto nochmals verkleinert. Ab Mitte Juli 1942 fuhren damit wöchentlich zwei Deportationszüge aus dem Distrikt Krakau zum Vernichtungslager Belzec. Durch die zusätzliche Einsatzbereitschaft der Vernichtungslager in Sobibor und Treblinka starben ab dem 22. Juli 1942 fast 10 Wochen hindurch jeden Tag bis zu 25.000 polnische Juden. Ende 1942 lebten von einst zwei Millionen Juden nur mehr noch 300 000 Juden im Generalgouvernement.[12]

Die dritte Vernichtungsaussiedlung

Am 28. Oktober fand eine dritte große Deportation aus dem Krakauer Ghetto statt, bei der etwa 4500 Menschen in Viehwaggons gepfercht werden, wieder tötete man in den Wohnungen Kinder und alte Menschen; im Spital erschoß man die Kranken mitsamt den Ärzten.

In diesem Todeszug nach Belzec, zusammengepfercht in einem Viehwaggon, ohne Wasser und mit kaum ausreichend Luft zum Atmen, befindet sich auch die Familie Lezerkiewicz: Abraham und Berta Lezerkiewicz und drei ihrer fünf Kinder: Leon, Victor und Greta. Zwei Kinder fehlen. Das jüngste, Sohn Jakub, ist bei einer polnischen Familie außerhalb des Ghettos versteckt, das älteste, Tochter Lola, ist bereits 1932 nach Palästina ausgewandert. ..... Keiner der Familie konnte den blauen Schein ergattern, auch die erwachsenen Söhne nicht, die beide immerhin über eine gültige Arbeitsbescheinigung als Kraftfahrzeugmechaniker verfügten – aber auch diese praktische Profession hatte sie nicht vor der „Aussiedlung“ retten können. Der 24-jährige Victor ........ hatte sogar eine „Unabkömmlichkeits-Bescheinigung“ vorgelegt, doch der die „Aktion“ leitende SS-Offizier, SS-Hauptsturmführer Martin Fellenz, hatte sie ihm aus der Hand genommen und ungelesen zerrissen; sein lapidarer Kommentar: Nehmt ihn weg!“ – das Todesurteil. Victor und sein Bruder Leon... waren vor der Okkupation Polensdurch die Deutschen Mitglieder einer zionistischen Jugendorganisation gewesen und sind entschlossen, nicht alles ohne Gegenwehr hinzunehmen. Sie wollen fliehen..... Als neben der Bahntrasse der Wald von Niepolomice auftaucht, springen sie - zuerst Victor, dann Leszek. Viktor schlägt mit dem Kopf auf den Schienen eines Nebengleises auf und verliert das Bewusstsein......[13] Von den Tausenden von Menschen im Todeszug überlebt niemand außer den beiden Brüdern.

KZ Belzec
KZ Belzec

Die Liquidierung des Krakauer Ghettos am 13. und 14. März 1943

Nach dem Bau eines Zwangsarbeitslagers in Plaszów für die noch lebenden Juden im Ghetto von Podgorze begann am 10. Oktober 1942 die Absiedlung der polnischen Bewohner aus ihren Häusern. Die Nationalsozialisten bereiteten Schritt für Schritt die Liquidierung des Krakauer Ghettos vor. Am 14. Dezember erging ein Schreiben von Julian Scherner an alle Heeresdienststellen und Privatfirmen mit „wehrwirtschaftlichen Aufträgen“, die jüdische Arbeitskräfte beschäftigten. Diese, so Scherner, müssten in Zukunft im „geschlossenen Judenarbeitslager“ Plaszow untergebracht werden. Bis zur Fertigstellung des Lagers verblieben „die Juden in einem besonders umzäunten und gesicherten Teil des bisherigen Krakauer Ghettos(Arbeitsghetto)“.[14] Von dort seien die Arbeiter abzuholen, zur und von der Arbeitsstelle zu begleiten und wieder „abzuliefern“. Die Arbeitgeber erhalten für ihre Juden blaue Ghettoausweise.

Die 4. Vernichtungsaktion

Am 13. März 1943 beginnt die „Liquidierung“ des Krakauer Ghetto; am gleichen Tag entgeht Adolf Hitler einem Attentat.[15] Das Ghetto war am 6. Dezember 1942 in einen Teil A und Teil B geteilt worden; Die Grenze zwischen den beiden Teilen verlief vom Zgody-Platz durch die Targowastraße zur Jozefinskastraße. Die arbeitsunfähigen Juden mussten auf 2,6 Hektar Platz finden, für die Arbeitsfähigen standen immerhin 7,1 Hektar zur Verfügung. Zwischen beiden Lagern war Stacheldraht gezogen, ein Wechsel in den anderen Teil ist verboten. Das Ghetto A ist der Lebensraum der arbeitenden Menschen, Ghetto B ist für die nicht arbeitenden vorgesehen, also für Alte, Kranke, Kinder. Viele arbeitenden wollen aber ihre Familienangehörigen nicht im Stich lassen und wechseln in Teil B: eine Entscheidung, die sie in den Tod führt.

Göth liquidiert das Ghetto

OD-Chef David Gutter, kommissarischer Leiter des Judenrats in Krakau, für den Mietek Pemper arbeitete[16], gab den Befehl von Julian Scherner bekannt: Alle Bewohner von Ghetto A sollten sich innerhalb von 4 Stunden für die „Übersiedlung“ ins neue Lager Plaszow bereit halten. Tadeusz Pankiewicz, der im Ghetto eine Apotheke betrieb beschrieb Göth wie folgt: „Er ist ein großer, gut aussehender Mann mit einem mächtigen Körper auf dünnen Beinen, einem gut proportionierten Kopf und blauen Augen. Er trägt einen schwarzen Ledermantel. In einer Hand trägt er eine Reitpeitsche, neben ihm sind seine beiden Hunde.“[17]

Juden sammeln ihren Besitz bei der Räumung des Krakauer Ghettos
Juden sammeln ihren Besitz bei der Räumung des Krakauer Ghettos

Widerstand gebrochen

Mutige Juden verübten ein Attentat auf das in der Stadt nur für Deutsche vorbehaltene Cafe „Cyganeria“. Doch die Führer der jüdischen Kampforganisation wurden gefangen genommen und getötet. Die letzten jüdischen Hilfspolizisten und die nicht mehr benötigten Mitglieder des Judenrates brachte man nach Plaszow und ermordete sie dort umgehend, darunter auch David Gutter.[18]

Begegnung mit Göth

Mietek Pemper lernte Amon Göth bei der vierten Vernichtungsaktion kennen:

Der Lagerkommandant, SS-Untersturmführer Amon Göth, war erst wenige Wochen vorher von Lublin nach Krakau gekommen. Er hatte sich zuvor bei der Auflösung von Ghettos im Distrikt Lublin einen gefürchteten Ruf erworben......nach den schockierenden Erlebnissen an den letzten beiden Tagen im Krakauer Ghetto verbanden wir bald mit den Namen Göth das Bild eines grausamen Mörders, der kein Mitleid zu kennen schien.“[19]

Mütter verlieren ihre Kinder oder das Leben

Estera Schwimmer, eine 36-jährige Jüdin aus Sosnowiec, die bei Julius Madritsch arbeitet, wird Zeugin des Blutrausches: „Sie steht in einer Fünferreihe, bereit zum Abmarsch ins Lager nach Plaszow, an der Hand hält sie das zweieinhalbjährige Kind ihrer Schwester, die bereits 1942 ermordet worden ist. Plötzlich taucht Göth vor ihr auf, entreißt ihr das Kind und schmettert es auf den Boden. Estera beginnt zu schreien und will sich um das Kind kümmern, doch Göth tritt sie zurück in die Reihe, die in Richtung Plaszow losmarschieren muss.........Immer wieder reißt er Müttern die Kinder aus den Händen, schlägt ihnen mit der Reitpeitsche ins Gesicht. Als er der Frau von Samuel Stöger das Kind wegnehmen will und sie sich weigert, muss sie mit dem Kind aus der Kolonne treten und wird von Göth zusammen geschlagen, die Kolonne marschiert inzwischen weiter. Samuel Stöger sieht seine Frau und sein Kind nie wieder.“[20]

Leichentransporte ins Lager

Franz Josef Müller beobachtet vom Eingang zum Julag I aus das Eintreffen des Zuges:

Endlos war die Marschkolonne. Mütter weinten und drückten noch zum letzten Male ihr Kind an die Brust. Manche waren halb bekleidet, andere im Schlafanzug. Den Schluss bildete ein unvergessliches Bild in mir. (sic!) Erst waren es zwei Pferdefuhrwerke, großen Pritschenwagen mit Gummirädern. Voll mit Leichen. Dahinter fuhren noch einige kleinere Kastenfuhrwerke, ebenfalls mit Leichen gefüllt. Das Blut lief von den Wägen und tagelang führte eine Blutschicht (sic!) auf der Straße vom Ghetto zum Konzentrationslager. Den Schluss des Zuges machte der Tyrann in seinem Auto: Amon Göth.“[21]

Die Auflösung des Ghettos B: „Aussiedlungsaktion“

Auch im Lager B erhielten die Menschen Anweisung, sich bereit zu halten. Göth selektiert am Zgodyplatz 150 ältere Männer für die Arbeit in Plaszow. Obersturmbannführer Haase ist gegen diese Zahl und befiehlt, 75 der ausgewählten Männer sofort zu erschießen. Die überlebenden 75 müssen den Getöteten die Kleider ausziehen und sie auf die Kastenwägen für den Transport nach Plaszow laden.

Tötungsaktion im Krankenhaus – Bilanz der Liquidierung

Albert Hujer leitet die Aktion, bei der zahlreiche Patienten im jüdischen Hauptkrankenhaus in der Jozefinskastrasse in den Betten getötet werden. Menschen werden aus den Fenstern im 3. Stock in den Tod gestürzt, einige Ärzte zusammen mit den Kranken erschossen. Die Häuser werden durchkämmt, wer gefunden wird, auf der Stelle getötet oder zum Zgodyplatz gebracht und dort ermordet. Die Opferbilanz der Ghetto-Stelle„Liquidierung“: Etwa 1000 Menschen werden nur an diesen zwei Tagen ermordet, 4000 deportiert, die Hälfte davon in das Vernichtungslager Auschwitz.[22]

Einzelnachweise

  1. Mietek Pemper, a.a.O., S. 42f
  2. nach: Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 60ff
  3. nach: Mietek Pemper, a.a.O., S. 46ff
  4. Kurt Gerstein, Aus dem Gerstein-Bericht, in: Walther Hofer, Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933-1945; Frankfurt/Main 1957, S. 307-312
  5. Hannes Frank in einer Regierungssitzung am 16. 12.1941, zitiert nach: Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 60-62
  6. Mietek Pemper, a.a.O., S. 49-53
  7. ebenda, S. 53ff
  8. Johannes Sachslehner, a.a.O., S. 60ff. Nach Pemper, a.a.O., S. 53 fand die dritte Vernichtungsaussiedlung am 28. Oktober 1942 statt, Sachslehner spricht hier von einer zweiten.
  9. Das brutalste Tötungszentrum wurde im Sommer 1940 in Auschwitz errichtet, 60 km von Krakau entfernt. Ursprünglich diente es zuerst als Konzentrationslager für Polen . Im März 1941 befahl Himmler den Bau eines zweiten Lagers, das später Auschwitz II-Birkenau genannt wurde. Im Herbst 1941 wurden sowjetische Kriegsgefangene ermordet, im Februar 1942 befahlRudolf Höß dort die erste Vergasung von Juden, 1943 ließ er Anlagen zur Tötungsfabrik und der Leichenverbrennung enorm erweitern. Von 1942 bis Anfang 1945 wurden in Auschwitz etwa 1 Million Juden und 100.000 Roma und Sinti , sowjetische Soldaten und andere Gefangene von den Deutschen ermordet.
  10. Nach dem Mord an etwa 3 Millionen polnischer Juden befahl Himmler, diese drei Lager zu schließen und alle Spuren ihrer Existenz zu vernichten.
  11. Es gab noch ein weiteres Todeslager im besetzten Polen : Majdanek, das sich in einem Vorort von Lublin befand. Im Sommer 1941 befahl Hitler die Einrichtung eines Konzentrationslagers für 25.000 bis 50.000 Häftlinge, die in Werkstätten und Baustellen der SS und der Polizei beschäftig werden sollten. Insgesamt 360.000 Juden, Polen , sowjetische Kriegsgefangene und andere Insassen starben dort, etwa 60% von ihnen durch die Folgen von Zwangsarbeit, Unterernährung oder Krankheiten. Im Frühjahr 1944 begann die SS das Lager zu schließen und die Spuren zu vernichten. Doch das gelang nicht restlos: Am 25.Juli 1944 erreichte die Rote Armee das von der SS geräumte Lager Majdanek und informierte die Weltöffentlichkeit.
  12. So Johannes Sachslehner, a.a.O., S. 60ff
  13. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 71ff
  14. Zitiert nach: Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 76
  15. Fabian von Schlabrendorff, Ordonnanzoffizier Henning von Tresckows hatte zwei als Kognacflaschen getarnte Bomben ins Flugzeug des „Führers“ geschmuggelt, die wegen der Kälte im Frachtraum nicht explodierten.
  16. Mietek Pemper, Der Rettende Weg; Hamburg 2005, S.27, 50
  17. J. Sachslehner, a.a.O., S. 93
  18. Mietek Pemper, a.a.O., S. 55ff
  19. ebenda, S. 60
  20. J. Sachslehner, a.a.O., S. 93
  21. J. Sachslehner, a.a.O., S. 95
  22. nach: Johannes Sachsenlehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Klagenfurt-Graz 2008; S. 92-97; Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005; S.42-62
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