Kapitel 8 - Kontraste: Ein Massenmörder und ein Lebensretter

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„„Weit entfernt davon bin ich, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten.

Brief aus Schindlers Koffer, zitiert nach Pemper[1]

Bild von Schindler in jungen Jahren
Bild von Schindler in jungen Jahren

Inhaltsverzeichnis

Der Film von Steven Spielberg

Steven Spielberg (sitzend) mit den Darstellern links: Ralph Fiennes (Amon Göth) mitte/hinten: Ben Kingsley (Izaak Stern) rechts: Liam Neeson (Schindler)
Steven Spielberg (sitzend) mit den Darstellern links: Ralph Fiennes (Amon Göth) mitte/hinten: Ben Kingsley (Izaak Stern) rechts: Liam Neeson (Schindler)
Bild von Schindler in jungen Jahren
Bild von Schindler in jungen Jahren

Schindlers Rettungsaktion wurde vor allem durch Steven Spielbergs Film bekannt. „Schindlers Liste“ wurde seit 1993 von 250 Millionen Zuschauern gesehen. Steven Spielberg ist selbst Jude und sah den Film als Hommage an seine Mutter, die den Krieg in einem Lager im Osten überlebte. Spielberg kontrastierte im Film zwei Gestalten : Amon Göth, den Massenmörder und Oskar Schindler den Lebensretter. Beide Männer wurden im Jahre 1908 geboren. Im Gegensatz zu Göth war Schindler kein aggressiver Mensch, sondern überaus warmherzig.. Er stammte aus Zwittau im Sudetenland, das seit dem Ende des ersten Weltkrieges zur Tschechoslowakei gehörte.

Rede Mietek Pemper in Irsee 6-12-1996 (pdf)

Der allmähliche Wandel Schindlers

Schindler selbst fühlte sich als deutscher Patriot, aber die deutsche Besatzungspolitik im Reichsprotektorat "Böhmen und Mähren" und in Polen überzeugten ihn im September 1939 davon, dass er der Propaganda einer Gruppe von Sadisten und Betrügern aufgesessen war. Er fühlte sich starkem seelischen Druck ausgesetzt, bis er sich dazu durchrang, nichts mehr kritiklos hinzunehmen. sondern nur noch dem Gefühl der eigenen Urteilsfähigkeit, der Menschlichkeit und den Mitleid in seinem Herz Platz zu geben anstatt bedingungslos Gesetzen und Befehlen zu gehorchen.

Göth und Schindler

Fabrik in Brünnlitz
Fabrik in Brünnlitz

Göth und Schindler waren zwei vollkommen verschiedene Persönlichkeiten. Beide verfügten in der Wehrmacht und in der Nazibürokratie über bestimmte Privilegien, die jeder für sich auf ihre Weise nutzte. Die Grausamkeit Göths zeigt sich daran , dass er sich die Häftlingsnummern der Angehörigen der von ihm Ermordeten geben ließ um auch diese dann zu töten. Schindler dagegen bestand darauf seine Arbeiter mit Vor – und Nachnamen anzureden. Als er mit seiner Fabrik nach Brünnlitz zog, legte er großen Wert darauf, die Familien seiner Arbeiter mitzunehmen. Für „seine Juden“ wurde Schindler eine Art „Vaterfigur“. Sein moralischer Wandel vollzog sich nicht plötzlich, sondern er wuchs Schritt für Schritt in diese neue Rolle hinein.

Die Menschlichkeit Schindlers

Finanzbericht Schindlers über die finanziellen Aufwendungen, Schindlernachlaß BA Koblenz
Finanzbericht Schindlers über die finanziellen Aufwendungen, Schindlernachlaß BA Koblenz

Als er nach Krakau kam, kam er nicht als Lebensretter sondern als Geschäftsmann. Aber als er mitbekam, wie es in Polen zuging und wie die deutschen Besatzer die Juden behandelten, war es für ihn klar, dass er helfen musste. Aus den vormals billigen Arbeitskräften wurden nun Menschen, um die er sich sorgte. Mit vielen der Juden war Schindler sogar freundschaftlich verbunden. Mietek Pemper merkte später, dass er sich in der Rolle des Lebensretters sehr wohl fühlte. Die Verantwortung die er übernahm war enorm. Bei seiner Abschiedsrede am 8. Mai 1945 beschwor er geradezu den Freundschaftsbund:

Ich wende mich an Euch alle, die ihr viele, sehr schwere Jahre mit mir zusammen ward und mit mir gebangt habt, den heutigen Tag zu erleben.“ [2]

Danach hielt er seine Juden zu Ruhe und Disziplin an. Schindler machte sich Gedanken über die Nachkriegszeit und hoffte, in die Tschechoslowakei zurückkehren zu können und dass einige seiner Arbeiter ihm beim Wiederaufbau seiner Fabrik behilflich sein würden. Nach Mietek Pemper bewies Schindler selbst in kritischen Situationen Besonnenheit und emotionale Kraft.

Die Rolle Emilie Schindlers

Emilie Schindler mit Oskar Schindler in Argentinien
Emilie Schindler mit Oskar Schindler in Argentinien

Seine Frau Emilie, die er 1928 geheiratet hatte, begleitete ihn anfangs nach Krakau, kehrte jedoch bald in ihre sudetendeutsche Heimat zurück. Als Oskar im Oktober 1944 mit seiner Fabrik und den Juden zurück nach Brünnlitz zog, kam Emilie ins Lager, um ihn zu unterstützen.

Dank ihrer Beziehungen zu Bauern und Mühlenbesitzern sorgte sie für zusätzliche Lebensmittel, sie organisierte Arzneimittel und Verbandsstoffe für das Behelfshospital und erwirkte die Genehmigung, eine leerstehende Spinnerei als Fabrikgelände nutzen zu können. Das war nicht selbstverständlich, denn die Einheimischen wollten weder eine Rüstungsindustrie in ihrer Umgebung noch wollten sie Juden.

Schindler war sehr stolz auf seine Frau und ihren Mut, sich für andere einzusetzen: “Sie hatte den Mut, SS-Führer wie Hausdiener zu behandeln.“ Gleichzeitig artikuliere er seine Enttäuschung über die Fabrikanten der Umgebung, die in den entscheidenden Momenten versagt hätten. „.....ob wohl eine der Gattinnen dieser Herren mit einem für einen Mann zu schweren Koffer Schnaps, in dieser strengen Kälte dreihundert Kilometer gefahren wäre, um dafür Medikamente für jüdische Skelette zu tauschen, denen die deutsche Barbarei den letzten Lebensfunken genommen hatte? Für meine Frau war diese Hilfsbereitschaft eine Selbstverständlichkeit. Wenn es galt, in höchster Not zu helfen, kümmerte sie sich einen Teufel um Gefahr.“ [3]

Fürsorge Schindlers für seine Juden über den Krieg hinaus

Auflistung der Aufwendung für die Schindler-Juden
Auflistung der Aufwendung für die Schindler-Juden

Oskar Schindler organisierte aus einem Depot der Kriegsmarine für alle seiner über 1000 Juden eine Grundausstattung, insgesamt über „18 Lastwagenladungen reiner Kammwollgarne, Anzug-, Mantel-,Wäsche-Stoffe, hunderttausende Rollen Zwirn, Zubehör, Schuhe, usw.“, sodass jeder „Schindlerjude“ „Stoffe für je zwei Anzüge, Mäntel, Wäsche usw. in die Freiheit“ erhielt. Der Wert der Textilzuweisungen alleine belief sich auf mehr als 150 000 Dollar. Die Baukosten für das separate Fabriklager in Zablocie sowie die Aufwendungen für die SS-Bewachungen, die Bestechungsgelder und die gigantischen Lebensmitteleinkäufe für die Emalia-Arbeiter auf dem Schwarzmarkt beliefen sich auf mehr als fünf Millionen Reichsmark.[4]

Schindler war kein Heiliger

Schindler war ein Genussmensch und stand auch dazu: „Weit entfernt davon bin ich, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten.[5] Doch seine bedeutende Leistung war, dass er sein ganzes Vermögen in die Rettungsaktion von über 1100 Juden steckte.

Scheitern der Nutriafarm in Argentinien

Schindlers Nutriafarm
Schindlers Nutriafarm

Im Herbst 1946 lebte Schindler mit seiner Frau in Süddeutschland und bat die Juden darum, ihm eine Auswanderung ins Ausland zu ermöglichen. Viele der noch in Krakau lebenden Juden intervenierten bei verschiedenen jüdischen Organisationen und so wurden die Schindlers von der Dachorganisation jüdischer Wohlfahrtsinstitutionen nach Paris eingeladen . Schindler wollte in Argentinien eine Nutriafarm aufbauen und Pelztiere züchten. Jüdische Frauenorganisationen aus England kauften in Argentinien einen Bungalow, um die Schindlers von Wohnungssorgen zu entlasten.

Unerklärlicherweise scheiterte das Farmunternehmen trotz Schindlers unternehmerischem Talent, danach ging auch die Ehe der Schindlers in die Brüche.

Rückkehr Schindlers nach Deutschland

Mitteilung über die Entschädigung Schindlers in Höhe von 45000 DM
Mitteilung über die Entschädigung Schindlers in Höhe von 45000 DM
Mitteilung bezüglich Schindlers Anspruch auf einen Lastenausgleich inklusive bestätigender Fakten
Mitteilung bezüglich Schindlers Anspruch auf einen Lastenausgleich inklusive bestätigender Fakten


1957 kehrte Oskar Schindler alleine und mittellos nach Deutschland zurück und wollte seine Lastenausgleichsansprüche durchsetzen. Mietek Pemper half ihm dabei so gut er konnte . Oskar Schindler hatte Menschenleben gerettet . Er war ein außergewöhnlicher Mann , aber nur für außergewöhnliche Zeiten . Weder vor 1939 noch nach 1945 vollbrachte Schindler etwas Besonderes. Er scheiterte im Alltag und bekam in Deutschland nie die Annerkennung , die er verdient hätte, was auch seine Sekretärin Elisabeth Tont unterstrich: „Ich spreche über meine Erinnerungen Oskar Schindlers zuliebe, weil unsere sudetendeutschen Landsleute seine Taten nicht genügend gewürdigt haben. Das hat mich immer gekränkt, weil ich wusste, dass er den Juden aus reinstem Herzen geholfen hat. Da würde ich mich jetzt am liebsten noch im nachhinein mit ihnen streiten. Sie haben das bis heute nicht anerkannt.“[6]

Ehrungen im Ausland, Indifferenz in Deutschland

Schindler pflanzt einen Baum in der Allee der Gerechten in Jerusalem
Schindler pflanzt einen Baum in der Allee der Gerechten in Jerusalem
Die Schindlerjuden gehen zum Grab von Schindler, Jerusalem 1996
Die Schindlerjuden gehen zum Grab von Schindler, Jerusalem 1996
Abraham Zuckerman unter dem Straßenschilder der Schindlerstraße in New Jersey. Einer von vielen "Schindlerstraßen" weltweit
Abraham Zuckerman unter dem Straßenschilder der Schindlerstraße in New Jersey. Einer von vielen "Schindlerstraßen" weltweit

In Israel wurde Oskar Schindler geehrt und pflanzte dort 1967 in der Allee der Gerechten einen Baum. In Deutschland erhielt er zwar das Große Bundesverdienstkreuz , aber keine echte Wertschätzung. Schindler starb 1974 krank und vereinsamt in Hildesheim , doch erst anlässlich Emilie Schindlers Tod 2001 bekundeten Menschen aus aller Welt ihr Beileid. Der Brief des amerikanischen Präsidenten an Schindlers Nichte zeigt, dass selbst heute noch die Rettungsaktion von Oskar und Emilie Schindler im Ausland mehr geschätzt wurde als in Deutschland.

Motive für Schindlers Handeln

In der Nachkriegszeit wurde häufig argumentiert, dass Schindler hauptsächlich aus Verpflichtung gegenüber seinen jüdischen Klassenkameraden und Freunden geholfen habe. Aber es war wohl ein „Mixtum compositum“, eine Motivmischung, die dazu führte, dass Schindler seine Zielsetzungen während des Kriegsverlaufes veränderten. Am Anfang war Schindler Geschäftsmann und auf das schnelle Geld aus, doch als er das Leben der Juden in den Ghettos sah , wuchs seine Hilfsbereitschaft. Im Lager Plaszow hatte sich seine Entschlossenheit, den Juden zu helfen, so gefestigt, dass er bereit war, Opfer auf sich zu nehmen und Risiken für die Juden einzugehen. Und danach folgte dann die größte Tat seiner Rettungsaktion: Die Liste, der Umzug nach Brünnlitz und das Durchhalten bis zur Befreiung im Mai 1945. Sein Verhalten war untypisch für einen Nazifabrikanten in einem KZ-Außenlager.


Schindlers Abschiedsrede in Brünnlitz

Einschätzung von Schindlers Leistung

Man sollte vor allem über die guten Taten Schindlers sprechen und nicht versuchen, über seine „Frauengeschichten“ ein Urteil abzugeben:

„... es war ein Glücksfall, dass Schindler so war wie er war: so leichtsinnig, so beherzt, so mutig, so trinkfest, so unerschrocken. Er, der weder vor noch nach dem Krieg etwas besonderes vorweisen konnte, führte zusammen mit seiner Frau eine Rettungsaktion durch, der heute, verstreut über die ganze Welt, mit Lebenspartnern, mit Kindern und Enkelkindern über sechstausend Menschen direkt oder indirekt ihr Leben verdanken. Das ist das Wesentliche. Alles andere ist unwichtig.“[7]

Einzelnachweise

  1. Brief aus Schindlers Koffer, zitiert nach Pemper, S.176
  2. Zitiert nach Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S.173
  3. Brief aus Schindlers Koffer, zitiert nach Pemper, S. 175
  4. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 176
  5. Brief aus Schindlers Koffer, zitiert nach Pemper, S.176
  6. Elisabeth Tont, in: Frankfurter Rundschau vom 26.1. 1994
  7. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005,S. 180
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